Skyline der Europäischen Zentralbank
#Banknote Solutions

Die Zukunft des Bargelds sichern

Feature
5 Min.

Die Bedeutung von Bargeld für das Wirtschaftssystem ist unbestritten. Ein Grund dafür ist der Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher, bar zu bezahlen, aber auch Erwägungen der nationalen Sicherheit spielen eine Rolle. So muss beispielsweise sichergestellt werden, dass im Falle einer nationalen Krise oder eines Cyberangriffs eine verlässliche Zahlungsoption zur Verfügung steht. Ebenso bedeutsam ist das soziale Anliegen der Inklusion von Menschen, die keine Bankverbindung haben und außerhalb des Finanzsystems stehen. Vor diesem Hintergrund ergreifen die Zentralbanken und andere wichtige Akteure des Finanzsystems entscheidende Maßnahmen dafür, dass Bargeld ein wichtiger Bestandteil der Volkswirtschaften bleibt.

Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran und bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen immer mehr digitale und kartenbasierte Zahlungsmöglichkeiten. Ungeachtet ihrer allseits geschätzten Vorteile, halten in den meisten Ländern die Menschen dem Bargeld die Treue.

So geben etwa 60 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum an, dass ihnen die Möglichkeit, mit Bargeld zu bezahlen, „sehr oder ziemlich wichtig“ ist. Das spiegelt sich auch in ihrem Konsumverhalten wider: Nach wie vor ist Bargeld das meistgenutzte Zahlungsmittel an der Ladenkasse und wechselt bei 59 Prozent aller Transaktionen den Besitzer.1 Die Akzeptanz von Bargeld, seine einfache Handhabung, seine Sicherheitsmerkmale und die Anonymität beim Bezahlen werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer wieder als besonders positiv hervorgehoben. Bargeld gibt dem Einzelnen und den Haushalten – und auch manchen Unternehmen – einen genauen Überblick über ihre Ausgaben.

Bargeld ist ein krisenfestes Zahlungsmittel, unabhängig davon, ob es sich um menschengemachte Konflikte oder Naturkatastrophen handelt. So kam es beispielsweise infolge des Ausfalls von Microsoft im Juli 2024 zu massiven Ausfällen von Zahlungssystemen weltweit – und auch Naturkatastrophen wie Wirbelstürme und Erdbeben können wichtige Teile der Zahlungsinfrastruktur lahmlegen.

Die soziale Inklusion ist ein weiterer zwingender Grund dafür, Bargeld als Teil des Zahlungssystems beizubehalten. Daten der Federal Deposit Insurance Corporation2 in den USA zeigen, dass etwa 4,5 Prozent der amerikanischen Haushalte (das entspricht etwa sechs Millionen Haushalten) weder über ein Konto bei einer Bank noch über eines bei einer Kreditgenossenschaft verfügen. Wobei dies in schwarzen und hispanischen Haushalten mehr als doppelt so häufig der Fall ist wie bei ihren weißen Mitbürgerinnen und Mitbürgern.

Strategien zur Zukunftssicherung des Bargelds

Staatliche Institutionen, Zentralbanken, Akteure der Bargeldbranche sowie finanzwirtschaftliche Thinktanks setzen sich weltweit dafür ein, den Stellenwert des Bargelds sowohl als Zahlungsmittel als auch als Wertanlage zu stärken und zu erhalten. Diese Ansätze lassen sich in vier Bereiche gliedern: Gesetzgebung, Förderung der Infrastruktur, Forschung und Kommunikation.

Hand hält verschiedene Euro-Banknoten

1. Rechtlicher Handlungsbedarf

In vielen Ländern regeln gesetzliche Vorschriften den Umgang mit Bargeld. Die Auflagen, Bargeld als legales Zahlungsmittel zu akzeptieren, weisen jedoch häufig Lücken auf und sind mit den heutigen Zahlungssystemen und den damit verbundenen Abläufen nicht mehr vereinbar. Länder und Staatengemeinschaften wie die EU bemühen sich, diese Lücken zu schließen und das „Recht auf Barzahlung“ auf eine solidere rechtliche Grundlage zu stellen.

Die Slowakei änderte 2023 ihre Verfassung, um den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Barzahlung zu gewähren, und Norwegen führte im Mai 2024 ein Gesetz ein, das die bestehenden Rechte auf Barzahlung stärkt. Seit 2021 gilt in Schweden der gesetzliche Grundsatz, dass Banken Bargelddienste anbieten müssen. Seitdem fordert die schwedische Zentralbank „dringend“ die

gesetzliche Verankerung des Bargelds als Zahlungsmittel, ausgelöst durch die Gefahr möglicher Cyberangriffe nach dem NATO-Beitritt.

Das Recht, mit Bargeld zu bezahlen, gesetzlich zu regeln und durchzusetzen, ist nicht auf Europa beschränkt. So ist die People’s Bank of China wiederholt gegen Händler und Institutionen vorgegangen, die Barzahlung ablehnten. Landesweit gab es mehrere Kampagnen zu diesem Thema und erst kürzlich wurden Geldstrafen gegen eine KFC-Filiale und andere Unternehmen verhängt, die sich weigerten, Bargeld anzunehmen.3  Besonders besorgt ist man über die Ausgrenzung der beträchtlichen Zahl älterer Menschen im Land, von denen viele mit digitalen Medien weniger vertraut sind.

2. Förderung der Bargeldinfrastruktur

Wenn Bargeld ein bedeutender Bestandteil einer Wirtschaft bleiben soll, müssen die Menschen vor Ort Geld abheben und auf Konten einzahlen können. Da die Zahl traditioneller Bankfilialen stetig abnimmt, müssen alternative Möglichkeiten geschaffen werden.

In einigen Ländern schlossen sich Banken mit einem standardisierten Privatkundengeschäft zusammen, um sich die Kosten für den Unterhalt eines Geldautomatennetzes zu teilen. In Belgien und den Niederlanden haben die führenden Geldinstitute eine gemeinsame, unabhängige Infrastruktur für Bargeldautomaten aufgebaut, die unabhängig vom Filialnetz der einzelnen Banken betrieben werden kann.

Vielerorts wird jedoch mehr Wert auf die Nutzung des Postfilialnetzes gelegt – zumindest für einfache Finanztransaktionen. In Gemeinden, in denen sich aufgrund ihrer Größe keine Bankfiliale lohnt, gibt es hingegen häufig eine lokale Poststelle, die für einfache Bankgeschäfte genutzt werden kann. Nach Untersuchungen des Weltpostvereins der USA befinden sich weltweit 80 Prozent der Postfilialen in ländlichen Gebieten.4

Facts & figures

0%

Bargeldtransaktionen am Point of Sale

(ECB, 2022 survey)

0%

Anzahl der US-Haushalte ohne Bankkonto

(Federal Deposit Insurance Corporation, 2021)

3. Forschung: die Entwicklung der Bargeldwirtschaft verstehen

Behörden und Zentralbanken müssen ihren Kurs ändern, wenn sie Bargeld wirksam unterstützen wollen. In Australien hat die Federal Reserve of Australia einen Überblick5 über die Bargeldnutzung veröffentlicht, der Gesetzgeber hat Forschungsberichte zu den wichtigsten Bargeldindikatoren herausgegeben und es gibt zahlreiche Studien zur Bargeldinfrastruktur, beispielsweise zur Verteilung von Bankfilialen und Geldautomaten. Diese Berichte beziehen sich entweder auf den Zugang der Gesamtbevölkerung oder auf bestimmte, von Ausgrenzung bedrohte Gruppen, wie etwa die Analyse der Bank of Canada6 zur Bargeldversorgung der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner des Landes zeigt.

Diese Forschungsarbeiten liefern wichtige Erkenntnisse für praktische und politische Maßnahmen, um die Verfügbarkeit von Bargeld sicherzustellen. Die Untersuchungen über den tatsächlichen Bargeldzugang haben zu Überlegungen über akzeptable Mindestentfernungen zu einem Geldautomaten oder einer Filiale geführt. Das Europäische System der Zentralbanken (Eurosystem) entwickelt „eine breite Palette von Analyseinstrumenten für die Definition, die Messung und den Zugang zu Bargeld, unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen in Volkswirtschaften, in denen die Bargeldnutzung deutlich zurückgegangen ist und sich Teile der Bargeldinfrastruktur verschlechtert haben“7. Diese Informationen werden zweifellos die Grundlage für – freiwillige oder unfreiwillige – Vereinbarungen zwischen den Finanzakteuren bilden, um die wichtige Bargeldinfrastruktur aufrechtzuerhalten.

Hände halten Euro-Banknoten.

4. Kommunikation: über den bleibenden Wert von Bargeld aufklären

Im Zuge des Hypes um digitale Zahlungen und Währungen wird die anhaltende Stabilität von Bargeld häufig übersehen. Seriöse Marktteilnehmer bemühen sich jedoch intensiv, diese einseitige Sichtweise zu ändern. 

Thinktanks wie Cash Essentials veröffentlichen Grundsatzpapiere und einflussreiche Analysen zur Zukunft des Bargelds.8 Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Debatte zwischen Zentralbanken, politischen Entscheidungsträgern und Gesetzgebern über die verschiedenen Funktionen, die Bargeld in den Volkswirtschaften dieses Jahrhunderts erfüllt.

Einige Zentralbanken haben öffentliche Kommunikationskampagnen gestartet, die auf die Notwendigkeit hinweisen, sich nicht zu sehr auf die Verfügbarkeit digitaler Zahlungsmittel zu verlassen. Die Österreichische Nationalbank hat gemeinsam mit der Münze Österreich, Verbraucherorganisationen, Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern, dem Seniorenrat und dem Gemeindebund die Plattform Euro Cash 360° ins Leben gerufen, um für das Bargeld zu werben.

Diese vier Aufgabenbereiche zeigen, dass die Bedeutung des Bargelds für Wirtschaft und Gesellschaft immer stärker zur Kenntnis genommen wird. Maßnahmen, den Stellenwert des Bargelds für die Zukunft zu wahren, werden ergriffen. Dies trifft insbesondere auf Länder zu, in denen digitalisierte Zahlungen bereits einen hohen Anteil an Transaktionen ausmachen und in denen die Schwächen und Risiken einer rein digitalen Wirtschaft nur allzu deutlich geworden sind.

Key Takeaways

  • Regierungsbehörden und Zentralbanken müssen Maßnahmen ergreifen, um Bargeld als Zahlungsmittel zu schützen.
  • Die für die Bargeldversorgung der Wirtschaft notwendige Infrastruktur muss überwacht werden.
  • Die Schließung von Bankfilialen erfordert neue Ansätze für den Zugang zu Bargeld. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete.
  • Die Aufklärung über die zentrale Rolle des Bargelds wirkt dem Digitalisierungsdiskurs im Zahlungsverkehr entgegen.
     
  1. Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE) – European Central Bank, 2022

  2. National Survey of Unbanked and Underbanked Households, Federal Deposit Insurance Corporation, 2021

  3. China Fines KFC and Other Businesses for Rejecting Cash Payments, Caixing Global, 2024

  4. Global Panorama on Postal Financial Inclusion, Universal Postal Union, 2023

  5. The Cash-use Cycle in Australia, Reserve Bank of Australia, March 2023

  6. An Exploration of First Nations Reserves and Access to Cash, Bank of Canada, August 2021

  7. Guaranteeing freedom of payment choice: access to cash in the euro area, European Central Bank, 2022

  8. Cash is more than a public good, Cash Essentials, March 2024

Veröffentlicht: 08.10.2024

Diesen Artikel teilen

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Verpassen Sie nicht die neusten Artikel von G+D SPOTLIGHT: Wenn Sie unseren Newsletter abonnieren, bleiben Sie immer auf dem Laufenden über aktuelle Trends, Ideen und technische Innovationen – jeden Monat direkt in Ihr Postfach.

Bitte geben Sie Ihre Daten an: