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Wie Werte unser Verhältnis zum Bargeld prägen

Interview
5 Min.

Was beeinflusst unsere Entscheidung, mit Bargeld statt mit anderen Zahlungsmitteln zu bezahlen? Für Prof. Dr. Julia Pitters, Professorin an der IU International University of Applied Sciences Wien und Leiterin des Fernstudiengangs Wirtschaftspsychologie, spielen dabei heute eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle: Das können das Vertrauen und die Sicherheit sein, die Bargeld gerade in unsicheren Zeiten so attraktiv machen, oder die Sorge um Datenschutz und möglichen Kontrollverlust, die mit digitalem Bezahlen einhergeht – ein Aspekt, der für die Generation Z besonders wichtig zu sein scheint. Prof. Dr. Pitters betrachtet in diesem Interview die grundlegenden Werte, die das Finanzverhalten beeinflussen, regionale Unterschiede und psychologische Aspekte, die zeigen, wie gesellschaftliche Veränderungen die Bargeldnutzung über die Jahrzehnte beeinflusst haben und dies auch weiterhin tun.

Wenn Sie die wichtigsten Werte definieren müssten, die das Finanzverhalten und insbesondere die Verwendung von Bargeld beeinflussen, welche wären das?

Gesellschaftliche und persönliche Auffassungen darüber, was wünschenswert und angemessen ist, bestimmen maßgeblich den Umgang mit Geld und die Nutzung von Bargeld. Sie beeinflussen, wie wir Entscheidungen treffen, Situationen bewerten und unser Handeln rechtfertigen.

Im Gegensatz zu unmittelbaren Bedürfnissen, die von aktuellen Umständen bestimmt werden, sind Werte tief verwurzelt und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie reichen von „traditionell vs. säkular-rational“ bis hin zu „Überleben vs. Selbstverwirklichung“ – und all das spiegelt sich darin wider, wie wir Bargeld verwenden.

Photo von Prof. Dr. Pitters

Als Professorin für Wirtschaftspsychologie an der IU (International University of Applied Sciences Wien) ist Julia Pitters eine anerkannte Expertin für Finanzpsychologie und Konsumentenverhalten. Nach ihrer Promotion über Steuerpsychologie an der Universität Wien wurde sie Assistenzprofessorin an der Webster University in St. Louis, Missouri, bevor sie zu einem Fintech-Unternehmen im Silicon Valley wechselte, um ihre Expertise auf die Finanzmärkte anzuwenden. Pitters referiert vielfach über die Psychologie des Bargelds und des Zahlungsverkehrs und ist Partnerin bei Pitters Trendexpert, einem Unternehmen, das sich auf die Analyse sozialer, wirtschaftlicher und politischer Trends spezialisiert hat.

Die Einstellung zum Bargeld ist im Wandel

Konnten Sie bei Ihren Recherchen feststellen, dass sich diese Werte im Umgang mit Bargeld in den letzten Jahrzehnten verändert haben?

Auf jeden Fall. In besonders fortschrittlichen Ländern wie Schweden geht der Trend eindeutig in Richtung Innovation und Technologie, was eine geringere Bargeldnutzung nach sich zieht. Schweden war schon immer für seine Fortschrittlichkeit bekannt, nicht zuletzt, weil es 1661 als erstes Land in Europa Papiergeld einführte. Diese Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Systemen hält bis heute an und gilt nun auch für den digitalen Zahlungsverkehr.

Umgekehrt halten traditionell geprägte Länder stärker am Bargeld fest. In Deutschland beispielsweise wird trotz des technologischen Fortschritts weiterhin Bargeld bevorzugt, was auf den hohen Stellenwert der Privatsphäre und der Datensicherheit zurückzuführen ist. Weltweit ist eine Verschiebung von traditionellen zu säkular-rationalen Werten und von überlebenswichtigen zu Selbstentfaltungswerten zu beobachten. Das hängt eng mit der sozioökonomischen Entwicklung zusammen: Mehr Wohlstand, Bildung und eine höhere Lebenserwartung ermöglichen es Gesellschaften, sich stärker auf individuelle Freiheiten und weniger auf Überlebensbedürfnisse zu konzentrieren.

Gibt es immer noch signifikante regionale Unterschiede?

Auf jeden Fall. In Ländern südlich der Sahara und in der islamischen Welt beispielsweise spielen traditionelle Werte eine größere Rolle als in westlichen Gesellschaften. Dort stehen eher säkulare Werte und Selbstverwirklichung im Vordergrund. Traditionelle Werte gehen oft mit einer stärkeren Bargeldnutzung einher, da etablierte, „greifbare“ Transaktionsformen bevorzugt werden.

Gesellschaften, in denen säkular-rationale Werte und das Streben nach Selbstverwirklichung vorherrschen, die stärker auf technologische Innovationen setzen und digitalen Systemen vertrauen, verwenden dagegen tendenziell weniger Bargeld. Außerdem darf man nicht vergessen, dass globale Ereignisse wie Wirtschaftskrisen, Pandemien und politische Umbrüche die Gewichtung von Werten vorübergehend verschieben können. So kann es beispielsweise in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs zu einem vorübergehenden Wiederaufleben von Überlebenswerten kommen.

“Viele Menschen bevorzugen Bargeld, weil es ein greifbares Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelt.“
Dr. Julia Pitters
Studiengangsleiterin Wirtschaftspsychologie, IU International University of Applied Sciences Wien

Wie die Psychologie das Zahlungsverhalten bestimmt

Abgesehen von diesen sehr grundlegenden Veränderungen: Welche psychologischen Faktoren beeinflussen das individuelle Verhalten bei der Wahl zwischen Bargeld und digitalen Zahlungssystemen?

Vertrauen und wahrgenommene Sicherheit sind wichtige psychologische Faktoren, die bei der Wahl des Zahlungsmittels eine Rolle spielen. Viele Menschen bevorzugen Bargeld, weil es gerade in unsicheren Zeiten ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelt. Wirtschaftskrisen belegen dies: Wenn die Wirtschaft schwächelt, steigt die Verwendung von Bargeld sprunghaft an, da die Menschen auf vertraute und verlässliche Methoden der Wertsicherung zurückgreifen. Der physische Akt von Bargeldtransaktionen hilft manchen Menschen auch, ihre Ausgaben besser zu kontrollieren.

Weil die Ausgaben im wahrsten Sinne des Wortes anfassbar werden?

Ja, und für diejenigen, die sich Sorgen um den Schutz ihrer Privatsphäre machen, ist die Anonymität von Bargeldtransaktionen ein weiterer Pluspunkt. Das zeigen beispielsweise repräsentative Umfragen unter der deutschen Bevölkerung. Für die Schweden hingegen ist Datenschutz kein so großes Thema, das Vertrauen in den schwedischen Staat ist hoch und das Prinzip der Transparenz fest verankert.

Ein Smartphone mit verschiedenen App-Symbolen auf dem Bildschirm, eine Kreditkarte und ein 50-Euro-Schein

Generationsunterschiede im Umgang mit Bargeld

Eine weitere Erkenntnis ist, dass mit dem technologischen Fortschritt eines Landes eine Verlagerung hin zu elektronischen Zahlungsmitteln stattfindet. Eine Gesellschaft scheint umso weniger auf Bargeld angewiesen zu sein, je weniger Geldautomaten verfügbar sind und genutzt werden und je mehr mobile Zahlungsmöglichkeiten es gibt. Entspricht das auch Ihren Beobachtungen, als Sie das Bargeldverhalten verschiedener Generationen – wie der Generation Z – analysiert haben?

Erstens hat die Existenz von Geldautomaten unterschiedliche Auswirkungen: Zum einen erleichtern sie den Zugang zu Bargeld, zum anderen ermöglichen sie aber auch häufigere und kleinere Abhebungen, sodass die Höhe der Bargeldnutzung letztendlich auf gleichbleibendem Niveau gehalten wird.

Zweitens unterscheidet sich die Generation Z in ihren Wertvorstellungen deutlich von früheren Generationen. Als Digital Natives sind sie besser mit der Technologie vertraut und legen häufig mehr Wert auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit. Folglich neigen sie eher zu digitalen Zahlungen und sind weniger an Bargeld gebunden. Allerdings spielen für sie Werte wie Selbstverwirklichung und Umweltbewusstsein eine wichtige Rolle, was ihre Wahl des Zahlungsmittels beeinflussen kann.

Gleichzeitig legt die Generation Z großen Wert auf Selbstbestimmung. Bargeld kommt diesem Wert entgegen, da es die Privatsphäre schützt und die Kontrolle über persönliche Daten ermöglicht. In Krisenzeiten könnte auch die psychologische Sicherheit, die Bargeld bietet, eine Rolle spielen, vorausgesetzt, die Generation Z ist sich der Bedeutung von Bargeld bewusst. Die Aufklärung über die Vorteile und die Relevanz von Bargeld ist entscheidend, um sicherzustellen, dass diese Generation Bargeld als praktische und sinnvolle Option betrachtet.

Wie gelingt diese Aufklärung am besten?

Mit gutem Beispiel vorangehen! Wenn die jüngeren Generationen kein Bargeld mehr verwenden und ihre Eltern dies auch nicht mehr tun, verliert Bargeld für sie an Bedeutung. Wenn Bargeld nicht zu ihrem Alltag gehört, wird es für die Generation Z keine Option mehr sein. Man muss ihnen also entgegenkommen.

Aus Marketingsicht lassen sich verschiedene Zielgruppen identifizieren, die man unterschiedlich anspricht. So könnte man beispielsweise auf TikTok eine Werbekampagne für Bargeld schalten, mit Argumenten, die auf jüngere Menschen zugeschnitten sind, anstatt die Vorteile von Bargeld auf einem traditionellen Plakat in einer Bank anzupreisen. Ein Blick auf Trends wie „Cash-Stuffing“ auf TikTok zeigt, welch mächtiges Instrument die sozialen Medien sein können, um Bargeld für die Generation Z attraktiv zu machen.

“Universelle Kampagnen funktionieren nicht, weil Bargeld für jeden und jede einen anderen Stellenwert hat.“
Dr. Julia Pitters
Studiengangsleitung Wirtschaftspsychologie, IU International University of Applied Sciences Wien

Die Pluspunkte von Bargeld hervorheben

Können solche Trends, wenn sie richtig beworben werden, jüngere Generationen wirklich über die Vorteile von Bargeld aufklären?

Tatsächlich könnten auf Selbstbestimmung und Privatsphäre ausgerichtete Kampagnen bei jüngeren Zielgruppen gut ankommen. Solche Initiativen und Aufklärungsprojekte sollten den praktischen Nutzen von Bargeld aufzeigen, beispielsweise seine Zuverlässigkeit in Notfällen und als Mittel zur Budgetierung und Ausgabenkontrolle.

Eine Person scannt einen QR-Code auf ihrem Smartphone in einem Bus

Solche Kampagnen und Initiativen sind sicher dann am effektivsten, wenn sie je nach Region und Land angepasst und alters- und geschlechtsspezifisch konzipiert werden, oder?

Auf jeden Fall. Man muss seine Zielgruppen genau kennen und wissen, wie man sie am besten erreicht. Universelle Kampagnen funktionieren nicht, weil Bargeld für jeden und jede einen anderen Stellenwert hat. Hier sind gezielte Lösungsansätze gefragt.

Nehmen wir beispielsweise die weltweit großen Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Menschen: Ein junger Nigerianer ist weniger konservativ als ein älterer Nigerianer. Dieses Prinzip gilt für viele Länder und spiegelt den Wertewandel zwischen den Generationen wider. Umgekehrt neigen ältere Generationen, die an Bargeld gewöhnt sind und digitale Sicherheitsrisiken fürchten, dazu, an traditionellen Methoden festzuhalten.

Zudem haben wirtschaftliche Faktoren und die Finanzkompetenz der oder des Einzelnen einen großen Einfluss auf die Abhängigkeit vom Bargeld.

Menschen in wirtschaftsstarken Ländern mit hoher Finanzkompetenz nutzen eher digitale Zahlungsmittel, da sie mit dem Bankensystem vertraut sind und Vertrauen in elektronische Transaktionen haben. In Regionen mit geringerer Finanzkompetenz und schlechterem Zugang zu Bankdienstleistungen ist Bargeld hingegen nach wie vor ein wichtiges Zahlungsmittel im Alltag. Maßnahmen zur finanziellen Inklusion in diesen Gebieten sind unerlässlich, um die Kluft zu überbrücken oder um digitale Zahlungsmittel zu fördern.

Key Takeaways

  • Es hängt von den individuellen Wertvorstellungen ab, wann und wo Bargeld anderen Zahlungsmitteln vorgezogen wird.
  • Die Einstellung zu Bargeld variiert stark nach Region, Gesellschaft und Alter.
  • Nur wenn die Vorteile von Bargeld gut kommuniziert werden, bleibt es auch für künftige Generationen eine sinnvolle und angemessene Alternative.

Veröffentlicht: 14.01.2025

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