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#Connectivity & IoT

Der digitale Zwilling unserer Welt. Eine Einordnung zum Internet of Things

Interview
7 Min.

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) durchdringt unseren Alltag und unsere Geschäftsprozesse von Jahr zu Jahr mehr. Neue IoT-Trends und immer größere Netzwerke bringen jedoch auch eine erhöhte Komplexität bei der Skalierung und Verwaltung mit sich. Philipp Schulte, CEO für Mobile Security bei G+D, erläutert im Gespräch, wie Unternehmen diese Herausforderungen meistern und das volle Potenzial des IoT ausschöpfen können.

Jeden Tag gibt es neue und spannende IoT-Anwendungsfälle, mit denen Unternehmen optimiert und das Leben von Milliarden Menschen in aller Welt verbessert werden kann. Tatsächlich verbinden sich seit 2024 fast 5.000 neue IoT-Geräte pro Minute mit dem Internet.1 Eine derart schnelle Expansion hat jedoch ihren Preis: Mit dem immer größeren und vielfältigeren Angebot an IoT-Anwendungen steigt auch die Komplexität der Verwaltung und Skalierung. Für Organisationen, deren Expertise in anderen Bereichen liegt, kann dies die Ausschöpfung des wahren IoT-Potenzials behindern.

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Wie können Unternehmen und Organisationen diese Herausforderungen meistern und Interoperabilitätsprobleme lösen? Warum ist die eSIM so entscheidend und welche Rolle spielt künstliche Intelligenz? Dazu haben wir mit Philipp Schulte, CEO für Mobile Security bei G+D, gesprochen. Er besitzt  langjährige Erfahrung in den Bereichen digitale Sicherheit und IoT und hat einige Erkenntnisse mit uns geteilt.

Philipp, warum ist das Internet der Dinge derzeit ein so spannendes Tätigkeitsfeld?

Ich finde vor allem aufregend, dass wir mit dem Internet der Dinge ein digitales Abbild der realen Welt erschaffen können. Wir sprechen oft vom Konzept des „digitalen Zwillings“, das sich bislang auf eine digitale Nachbildung eines physischen Objekts bezieht. Das Internet der Dinge erweitert dieses Konzept jedoch exponentiell – es ist wie ein digitaler Zwilling unserer gesamten Welt. Das fasziniert mich und eröffnet für die Zukunft unglaubliche Möglichkeiten.

Auch das Innovationstempo in der Branche macht IoT für G+D zu einem hochinteressanten Thema:  Wir haben eine aktive Rolle in diesem Bereich und treiben unsere eigene Transformation bei Produktportfolio und Marktansatz voran.

Ein weiteres Thema, das in den letzten 18 Monaten alle Branchen beherrscht hat, ist die künstliche Intelligenz. Welchen Stellenwert kann KI im IoT einnehmen?

Das ist in der Tat ebenfalls ein höchst spannendes Thema. Einerseits müssen wir darüber nachdenken, wie KI das, was wir mit dem Internet der Dinge vorhaben, vorantreiben kann. Und auch andersherum gilt die Frage: Wie kann IoT die KI voranbringen? Der wichtigste Aspekt ist dabei eine verlässliche Datenbasis. Die KI ist beim Lernen, bei der Entscheidungsfindung oder bei Empfehlungen auf genaue Daten angewiesen. Fehlerhafte Daten, die in ein KI-Modell eingespeist werden, können zu nutzlosen oder – schlimmer noch ¬– gefährlichen Resultaten führen.

Das gilt insbesondere für das Internet der Dinge. Hier ist es elementar, dass die Daten korrekt, validiert und nicht manipuliert sind. Hierbei spielen unsere sicheren Netzwerk- und Konnektivitätslösungen eine entscheidende Rolle, da sie die Integrität der von der KI verwendeten Daten gewährleisten. Mit der wachsenden Zahl von IoT-Geräten wird dies immer wichtiger. Wenn es darum geht, die Möglichkeiten der KI für das Internet der Dinge auszuloten, stehen wir allerdings noch ganz am Anfang. Ich glaube, dass KI wirklich dabei helfen kann, die Bereitstellung von IoT-Geräten zu optimieren, beispielsweise indem sie die richtige Anzahl von Geräten bestimmt, die an jedem Standort benötigt werden.

“Wir sprechen oft vom Konzept des „digitalen Zwillings“, das sich bislang auf eine digitale Nachbildung eines physischen Objekts bezieht. Das Internet der Dinge erweitert dieses Konzept jedoch exponentiell – es ist wie ein digitaler Zwilling unserer gesamten Welt.“
Philipp Schulte
CEO für Mobile Security bei G+D

Was sind die größten Herausforderungen für die IoT-Branche im Jahr 2024?

Das hängt vom jeweiligen Akteur und Anwendungsfall ab, aber allgemein betrachtet, bleibt die Interoperabilität eine große Hürde – vor allem weil immer mehr Geräte zum Einsatz kommen. Die Entwicklung einzelner IoT-Geräte mag zwar nicht übermäßig komplex sein, die eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin sicherzustellen, dass diese Geräte mit anderen Geräten und Systemen effektiv kommunizieren und zusammenarbeiten können – auch wenn sie  für diese Interaktion nicht unbedingt konzipiert wurden. Deshalb ist nicht nur eine funktionierende Konnektivität entscheidend, sondern auch hier gilt wieder: Die zwischen den Geräten übertragenen Daten müssen korrekt und sicher sein. Und wir müssen eine nahtlose Interaktion auf vielen verschiedenen Ebenen und in einem vielfältigen technologischen Ökosystem erreichen.

Die Frage ist, wie die Branche diese gemeinsame Basis finden kann …

Wir bei G+D sind davon überzeugt, dass die eSIM dabei eine entscheidende Rolle spielen kann. Sowohl die Bereitstellung am Anfang wie auch das fortlaufende Management von IoT-Geräten wird dadurch einfacher. Durch die Remote-Bereitstellung von SIM-Karten können sich Geräte sofort nach dem Einschalten mit dem Netzwerk verbinden, ohne dass eine physische Aktivierung erforderlich ist. Diese Eigenschaft erhöht nicht nur die Betriebseffizienz, sondern unterstützt auch die Fernverwaltung, die für die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit von IoT-Geräten während ihres gesamten Lebenszyklus unerlässlich ist.

Die eSIM hat noch einen weiteren Vorteil: Sie ermöglicht eine globale Konnektivität, ohne dass der endgültige Bestimmungsort des Geräts im Voraus festgelegt werden muss. Das vereinfacht den Herstellungsprozess und senkt die Kosten. Nehmen wir beispielsweise eine Fabrik, die täglich Tausende von IoT-Geräten produziert. Mit eSIMs müssen die einzelnen Chargen nicht mehr nach Ländern sortiert und verpackt werden. Stattdessen reicht es, wenn die Hersteller eine einzige SKU (Stock Keeping Unit) für ein Gerät anlegen, was den Produktionsprozess erheblich vereinfacht. Die Geräte können dann per Fernprogrammierung so eingestellt werden, dass sie überall auf der Welt funktionieren.

Und dann sind da noch die Vorteile in puncto Nachhaltigkeit: Die eSIM ist die umweltfreundlichste verfügbare Option, da sie den Einsatz physischer SIM-Karten überflüssig macht und so den Plastik- und Stromverbrauch reduziert. Bedenkt man, dass weltweit bereits Milliarden von eSIM-Karten im Einsatz sind, hat das enorme Auswirkungen.

Ist die eSIM also ein Wegbereiter für das IoT?

Die eSIM ist eine von mehreren Komponenten des sogenannten Connectivity Stack. Dieser setzt sich aus mehreren Ebenen zusammen, um die Bereitstellung und das Management des IoT zu unterstützen. Auf die eSIM folgt die Ebene der IoT-Konnektivität, dann die der Sicherheit und Authentifizierung und schließlich die vierte Ebene, das Konnektivitätsmanagement. Wenn alle diese Teile des Puzzles ineinandergreifen, können Geräte über eine einzige Schnittstelle Daten sicher über verschiedene Netze von überall auf der Welt übertragen.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie das in der Praxis aussehen könnte?

Stellen Sie sich einen Logistikdienstleister vor, der durch die Implementierung des Connectivity Stack in der Lage ist, all seine Transportgüter mit höchster Präzision zu verfolgen. Er könnte die Ankunftszeit von Artikeln genauer vorhersagen und Störungen auf der Strecke, wie eine gesperrte Autobahn oder einen liegen gebliebenen Zug, in Echtzeit erkennen und entsprechend reagieren, ohne dass jemand das Problem manuell melden muss.

Ein weiterer, oft übersehener Vorteil ist die potenzielle Senkung des Kapitaleinsatzes. Viele Logistikanbieter halten wegen des Mangels an genauen Echtzeitinformationen überschüssige Bestände. An Flughäfen haben wir beispielsweise gesehen, dass Überkapazitäten von vielleicht 25 bis 30 Prozent an Containern gelagert werden, weil es aufgrund von ungenauen Tracking-Informationen schwierig ist, genau zu bestimmen, wo sich alles aktuell befindet. Eine verbesserte Ortungsgenauigkeit steigert nicht nur die Effizienz und senkt die Kosten, sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit bei, indem der Material- und der Energieverbrauch für die Herstellung und Wartung reduziert werden.

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Die Logistikbranche wird zweifellos von den Fortschritten profitieren, die in den letzten zwölf Monaten in der Satellitentechnologie erzielt wurden. Welche Bedeutung hat dies künftig für die IoT-Branche?

Die Satellitentechnologie ist für die gesamte IoT-Branche von enormer Bedeutung, insbesondere für Anwendungen, die an abgelegenen Orten funktionieren müssen, also solchen, die von herkömmlichen Mobilfunknetzen nicht erreicht werden. Mit der bestehenden Netzinfrastruktur werden zwar die meisten bewohnten Gebiete abgedeckt, doch für Orte auf dem Meer oder in den Bergen reicht das nicht aus. Satellitenverbindungen sind ein Mittel, um diese Abdeckungslücke zu schließen.

Sie sind jedoch nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu sehen: Die Versorgung wird dort verbessert, wo die Mobilfunknetze nicht ausreichen. Ziel ist die nahtlose Nutzung beider Technologien – sobald eine Mobilfunkverbindung nicht verfügbar ist, springt der Satellit ein. Dieser hybride Ansatz stellt sicher, dass IoT-Geräte die Verbindung aufrechterhalten, ohne dass die Nutzer und Nutzerinnen den Netzwechsel überhaupt bemerken. Auf diese Weise kann die Reichweite von IoT-Lösungen wirklich globalisiert werden.

Können Sie die Rolle von G+D im Bereich IoT näher erläutern?

Durch unser umfangreiches Produktportfolio und die Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Branchenvertretern war G+D bei IoT-Innovationen schon immer ganz vorne mit dabei.  Wir engagieren uns in verschiedenen Normungsgremien und helfen bei der Definition von Standards, die für die Interoperabilität zwischen verschiedenen Geräten und Systemen erforderlich sind. Darüber hinaus haben wir viel in die Forschung, Entwicklung und Einführung von Lösungen investiert.

Gegenwärtig sind wir dabei, uns stärker auf softwaredefinierte Lösungen zu fokussieren, aufbauend auf unserer Arbeit im Bereich Konnektivität in den letzten 30 Jahren. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich unser Tätigkeitsfeld drastisch verändert. Trotz aller Vorarbeit und Expertise ist dies ein neues, und gleichzeitig sehr spannendes Feld.   

Abschließend gefragt: Was raten Sie Kunden, die ihre IoT-Implementierungen skalieren wollen?

Der erste Schritt ist, sich an bestehende Standards zu halten. Wer diese versteht und umsetzt, kann sich bei der Skalierung viel Kopfzerbrechen ersparen. Ebenso wichtig ist die Auswahl zuverlässiger Partner innerhalb des IoT-Ökosystems. Die Branche ist dynamisch und stark fragmentiert und es tauchen ständig neue Akteure auf. Das ist nichts Schlechtes, birgt aber auch Risiken. Niemand möchte in eine Situation geraten, in der die von ihm eingesetzte Technologie nicht mehr unterstützt wird, weil der Anbieter sich aus dem Markt zurückgezogen hat. 

Investieren Sie daher in Partner mit erprobten Technologien, die sich im Laufe der Zeit bewährt haben. Vergessen Sie auch nicht, Ihre IoT-Lösungen vor dem Einsatz gründlich auf Umweltaspekte zu testen.

Key Takeaways

  1. Das IoT ist wie ein digitaler Zwilling unserer realen Welt und die Innovationsgeschwindigkeit eröffnet aufregende neue Möglichkeiten.
  2. Interoperabilität ist nach wie vor eine große Hürde für eine stärkere Akzeptanz in der IoT-Branche.
  3. Die eSIM – als Teil des Connectivity Stack – kann den Weg zur Interoperabilität ebnen und zu neuen, spannenden Anwendungsfällen führen.
  1. GSMA Intelligence, 2023

Veröffentlicht: 05.09.2024

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