Die „Börsen“-Revolution
Herr Sørensen – auch aus Ihrer Expertensicht: Warum konzentrieren sich gerade alle auf digitale Geldbörsen? Gibt es Druck seitens der Behörden, ist es die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Konkurrenz durch die Ambitionen der Big Tech-Unternehmen, sind es die Chancen für den Bankensektor in diesem Bereich – oder liegt es an allem zusammen?
Wir befinden uns bereits in der zweiten Phase der Entwicklung digitaler Wallets. Seit vor mehr als 15 Jahren die Arbeit an den damals so genannten mobilen Geldbörsen begann, steht das Thema bei vielen Institutionen auf der Tagesordnung. Tatsächlich veröffentlichte die Wallet-Expertengruppe des Mobey Forums, deren Co-Vorsitzender ich bin, bereits 2011 erste Strategiepapiere dazu. Darin wurde definiert, was eine mobile Geldbörse ist und was damit alles möglich sein könnte.1 Damals lag der Fokus auf der Mobilität, was rückblickend etwas irreführend war. Wallets zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie mobil sind, sondern dass sie digital und vernetzt sind.
Die Analogie zu einer Brieftasche war jedoch richtig – ein Objekt, in dem man verschiedene Wertsachen aufbewahren und überallhin mitnehmen kann. Schon damals war klar, dass solche Wallets nicht nur für Zahlungen, sondern auch für Bankgeschäfte, für die Vermögensverwaltung, Identitätsnachweise, Investitionen und vieles mehr verwendet werden würden.
In der Folge hatten Finanzinstitute fast ein Jahrzehnt lang Schwierigkeiten, ihre verschiedenen Wallet-Versionen auf den Markt zu bringen, nur um dann mitansehen zu müssen, wie Big Tech – Apple, Google, Samsung & Co. – ihnen zuvorkam. Viele Banken hatten dadurch das Gefühl, den Anschluss verloren zu haben.
Was war die Folge? Haben sich die Banken daraufhin stärker auf Zahlungs-Apps konzentriert?
Die Banken haben eigene Zahlungs-Apps auf den Markt gebracht. Barclays lancierte Pingit, das als Vorbild für andere lokale Vorreiter wie MobilePay in Dänemark, Vipps in Norwegen und TWINT in der Schweiz diente. Alle diese Apps wurden von Banken unterstützt und waren sehr erfolgreich, insbesondere in Skandinavien, wo bargeldlose Zahlungen an Bedeutung gewannen und die Funktionen der Apps das Problem der Zahlungen von Person zu Person (P2P) lösen konnten.
Aber sowohl diese regionalen P2P- als auch die Big Tech-Wallets waren in erster Linie Zahlungs-Wallets. Die Payment-Branche war einerseits froh, dass der Anwendungsfall für digitale Zahlungen endlich funktionierte, andererseits gerieten dadurch all die anderen Aspekte in Vergessenheit, für die digitale Geldbörsen genutzt werden sollten. Erst in den letzten Jahren wurde die Entwicklung in diese Richtung wieder forciert.