A man stands on the top of Pedra da Gávea watching the views over Rio de Janeiro, Brazil
#Tech Innovation

Brasiliens Zahlungssysteme: Pix, DREX & Co.

Interview
5 Min.

Es passt zu einem riesigen Land wie Brasilien, dass es über eine vielfältige Zahlungslandschaft verfügt. Sie umfasst Bargeldauszahlungen durch lokale Unternehmen, Privatschecks, Bezahlkarten inklusive sofort ausgestellter virtueller Karten, ein populäres einheimisches Sofortzahlungssystem namens Pix und ein Pilotprojekt für digitales Geld (CBDC) namens DREX, das sich derzeit in seiner zweiten Phase befindet. Erfahren Sie mehr über den Zahlungsverkehr im südamerikanischen Wirtschaftszentrum.

„Man muss sich Brasilien wie einen eigenen Kontinent vorstellen“, sagt Helio Inoue, Vertriebsleiter von G+D Currency Technology in Brasilien. „Das ist kein Witz, das meine ich ernst.“  

Das Land, in dem er lebt, ist flächenmäßig das fünftgrößte der Welt. Gemessen an der Bevölkerungszahl steht es mit 216 Millionen Menschen an siebter Stelle. Portugiesisch ist am weitesten verbreitet, doch daneben werden noch zahlreiche einheimische Sprachen gesprochen. Hinzu kommen die Muttersprachen, die die verschiedenen Migrantengruppen in dieses pulsierende südamerikanische Land mitgebracht haben, darunter Deutsch, Italienisch, Japanisch und Hebräisch. Die Urbanisierung ist enorm: São Paulo ist nicht nur die größte Stadt Brasiliens, sondern auch die größte in der westlichen Hemisphäre und erwirtschaftet zehn Prozent des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts. Brasiliens Städte sind kosmopolitisch und technologisch fortschrittlich. In ihnen lebt eine wachsende Zahl von Influencerinnen und Influencern, die die 80 Prozent der Bevölkerung ansprechen, die in den sozialen Medien aktiv sind. Natürlich gibt es noch mehr als nur die berühmten Städte: Brasiliens ländlicher Sektor nimmt einen großen Anteil der Wirtschaftsleistung des Landes ein.

Es überrascht nicht, dass die Zahlungslandschaft des südamerikanischen Staates ebenso vielfältig ist. „Es gibt immer noch Leute, die Schecks benutzen“, sagt Helio Inoue. Aber das ist nur noch eine kleine Gruppe. Denn es zeigen sich eindeutige Trends zur Veränderung: allen voran Pix, die von der Banco Central do Brasil (brasilianische Zentralbank) eingeführte Plattform für Sofortzahlungen. Sie ist das wichtigste Zahlungsmittel in Brasilien, gefolgt von Bargeld und Bezahlkarten.

Bei jedem Gespräch, bei dem es ums Bezahlen in Brasilien geht, wird als Erstes über Pix gesprochen – so auch hier:

0größte

Nation nach Fläche

0größte

Nation nach Einwohnerzahl

São Paulo als größte Stadt der westlichen Hemisphäre

0Millionen

Pix-Nutzer = 75% der Bevölkerung

0Milliarden $

E-Commerce Sektor (Stand 2024)

Die Erfolgsgeschichte von Pix

Seit seiner Einführung im November 2020 hat sich Pix, gemessen an der Zahl der Transaktionen, zum beliebtesten Zahlungsmittel entwickelt.1 Die brasilianische Notenbank gibt an, dass 45 Prozent aller Zahlungen in Brasilien über die Pix-Plattform abgewickelt werden.2 Sie wird von mehr als 150 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, das heißt 75 Prozent der Bevölkerung, und 15 Millionen Unternehmen genutzt.3

Der überwältigende Erfolg der Plattform basierte zunächst auf dem Account-to-Account-Segment (A2A). „Die Nutzerinnen und Nutzer haben die Möglichkeit, drei verschiedene Zugangsarten zu verwenden“, erklärt Inoue. „Ihre Handynummer, ihre E-Mail-Adresse oder ihre offizielle Identifikationsnummer.“ Diese können jeweils bei einer Bank hinterlegt werden.

„Man fragt die andere Person nach ihrem Zugang, gibt ihn in seine Bank-App ein, fügt einen Betrag hinzu und schickt ihn ab“, so Helio Inoue. Im Anschluss erhält man eine Nachricht, dass der Betrag gutgeschrieben wurde. „Wir nennen das ‚pixxen‘.“

Innerhalb weniger Jahre hat sich der Begriff „pixxen“ im brasilianischen Sprachgebrauch etabliert. Die Abrechnung erfolgt praktisch sofort. P2P-Transaktionen sind für keine der beiden Parteien mit Kosten verbunden. Die brasilianische Zentralbank setzt angesichts des Erfolgs bei Privatpersonen darauf, dass Pix auch im Bereich Person-to-Business (P2B) und später auch im B2B-Bereich erfolgreich sein wird.

Durch seine Popularität hat Pix den Sprung in die Welt des Online-Handels geschafft, da die Nutzerinnen und Nutzer auch online bezahlen können. Der brasilianische E-Commerce-Sektor hat bereits einen Wert von fast 100 Milliarden Dollar: Mit seinem Wachstum wird auch der Marktanteil von Pix wachsen.1

Anders sieht es am Point of Sale (POS) aus. Hier, so Inoue, müssten die Händler derzeit noch Gebühren entrichten, wenn sie Pix am POS anbieten. Es gebe jedoch Druck von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Regulierungsbehörden, diese Gebühren zu senken. Die brasilianische Zentralbank hat außerdem kontaktlose Zahlungen mit einer Funktion namens Pix by Proximity in Umlauf gebracht. Ursprünglich stand diese Funktion nur Google-Wallet-Nutzerinnen und -Nutzern zur Verfügung, die ihre Bankkonten verknüpft haben – ab 2025 wird sie jedoch für alle Kundinnen und Kunden verfügbar sein. „Dank der Unterstützung durch die Zentralbank können wir davon ausgehen, dass der Marktanteil von Pix in allen Branchen, auch am POS, steigen wird.“

“Es gibt Fälle im Amazonasgebiet, da müssen die Menschen drei Tage mit dem Boot fahren, um ihre Bezüge in Bargeld abzuholen. Wie können wir es den Behörden und den Menschen, die diese Hilfe brauchen, einfacher machen?“
Helio Inoue
Sales Director G+D Currency Technology Brazil, São Paulo (Brasilien)

Bezahlkarten: widerstandsfähig, aber auf unerwartete Weise

„Ich lebe in São Paulo“, sagt Inoue. „Wenn ich essen gehe, bezahle ich mit Bargeld, aber ich bin noch von der alten Schule! Bei kleinen Beträgen ‚pixxen‘ die Leute um mich herum.“ Größere Beträge werden in der Regel mit Karte bezahlt. „Aber nicht mit der physischen Karte, sondern mit der Karte in der digitalen Geldbörse.“

Laut Inoue sind die Bewohnerinnen und Bewohner brasilianischer Großstädte besonders wachsam gegenüber Betrügerinnen und Betrügern, sei es in direktem Kontakt oder online. Technologieführer sowie der Finanzsektor haben mit ausgeklügelten Lösungen reagiert, darunter die sofortige Ausgabe von zeitlich begrenzten virtuellen Karten über die Bank-App. „So eine Karte funktioniert 72 Stunden, nachdem sie über die Bank-App generiert wurde“, sagt Inoue. „Sie besitzt eine eigene Nummer und eine eigene Sicherheitskennung, die sich von der physischen Karte unterscheidet – und sie funktioniert überall, auch online.“

Das heißt, selbst wenn sie (zusammen mit dem Mobiltelefon) gestohlen oder gefälscht wird, ist sie nicht lange gültig. Und sie enthält keine Informationen, die mit der physischen Karte in Verbindung gebracht werden könnten.

Smartphone displaying WhatsApp Pay with a 50 Brazilian Real banknote beside it

Gesucht: CBDC mit Offline-Funktion

Ein Bankangestellter, der an der Auszahlung staatlicher Hilfen beteiligt ist, erzählte Inoue eine interessante Geschichte. „Es gibt Fälle im Amazonasgebiet, da müssen die Menschen drei Tage mit dem Boot fahren, um ihre Bezüge in Bargeld abzuholen“, so Inoue. „Wie können wir in solchen Situationen helfen? Wie können wir es den Behörden und den Menschen, die diese Hilfe brauchen, einfacher machen?“

Das ist vor allem eine Frage der Infrastruktur. Verfügt die Bevölkerung über Strom- und Mobilfunkanschlüsse, kann sie Pix nutzen. Eine andere Alternative ist ein digitales Zahlungsmittel, das Sicherheit mit Offline-Fähigkeiten verbindet. Das brasilianische Pilotprojekt für digitales Zentralbankgeld (CBDC) heißt Brazilian Digital Real Electronic (DREX) und befindet sich derzeit in der zweiten Phase. Einzelne Banken innerhalb des brasilianischen Finanzsystems wurden eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen. Die größte Geschäftsbank des Landes, die Banco do Brasil (BB), hat sich mit G+D zusammengetan, um eine Offline-Zahlungslösung zu testen, die diesen speziellen Anwendungsfall untersucht – nämlich Situationen, in denen es keinen Strom oder keine Netzverbindung gibt. 

Ein erklärtes Ziel des Pilotprojekts ist es, den Zugang zu Finanzdienstleistungen auf Bevölkerungsgruppen auszuweiten, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum Internet haben. Es soll sowohl als Ergänzung zu Bargeld als auch als digitales Zahlungsmittel dienen, für das kein Bankkonto erforderlich ist. G+Ds eigene tokenisierte CBDC-Lösung Filia® ist für ein solches Szenario gut geeignet. 

A young couple happily browses a market stall with spirits and local products

Mittelfristige Perspektive

Brasilien ist ein riesiges und vielfältiges Land. Es ist außerdem schnell, wenn es um Problemlösungen geht, und hat seine eigenen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen gefunden. Helio Inoue beschreibt das so: „Viele der jungen Menschen ziehen in die Städte, die alten Leute bleiben zurück, in Orten im Landesinneren, in denen es keinen Geldautomaten gibt. Stattdessen gibt es eine Person auf einem Motorrad, die jede und jeder kennt und der alle ihre Zugangsdaten anvertrauen: Einmal in der Woche sammelt sie alle Bankkarten ein, fährt in die nächste Stadt, hebt Geld ab und verteilt es, wenn sie zurückkommt. Vielleicht bezahlt sie auch noch deren Rechnungen.“

Bargeld ist weiterhin beliebt – vor allem bei den Menschen, die es gewohnt sind, damit zu bezahlen, und je weiter man sich von den Städten entfern. Besonders wichtig ist es in der Landwirtschaft. Zumindest mittelfristig, so Inoue, wird das auch so bleiben.

Solange sich die Finanzlandschaft weiterhin so schnell verändert, werden Bargeld, Karten und digitale Zahlungsmittel in Brasilien nebeneinander existieren.

Key Takeaways

  1. Brasilien ist groß und vielfältig. Dies spiegelt sich auch im Zahlungsverkehr wider.
  2. Technologisches Know-how trifft auf lokalen Unternehmergeist. Virtuelle Karten mit begrenzter Gültigkeit können sofort in der Wallet erstellt werden.
  3. Neben Pix ist CBDC ein weiterer Weg, immer mehr Brasilianerinnen und Brasilianer in den Finanzkreislauf einzubinden..
  1. The Global Payments Report, Worldpay, 2024 https://worldpay.globalpaymentsreport.com/en

  2. Payment method statistics, Banco Central do Brasil, 2024 https://www.bcb.gov.br/estatisticas/spbadendos

  3. Pix: the latest updates on Brazil’s leading instant payment scheme, Carlos Brandt/European Payments Council, 2024 https://www.europeanpaymentscouncil.eu/news-insights/insight/pix-latest-updates-brazils-leading-instant-payment-scheme 

Veröffentlicht: 04.03.2025

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