Reisende Frau mit Handy am Flughafen
#Business Transformation

Die Zukunft des Reisens: automatisierte Grenzkontrollen

Globale Trends

Die politischen Entwicklungen und globalen Krisen der letzten Jahre haben die Sicherheitsanforderungen erhöht. Gleichzeitig ist das Bedürfnis nach mehr Reisekomfort gestiegen. Industrie- und Interessenverbände fordern daher eine stärkere Automatisierung. Die Erfassung und Kontrolle von Reisenden mittels biometrischer Verfahren ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Von sogenannten biometrischen Korridoren, die eine kontakt- und reibungslose Grenzkontrolle ermöglichen, sind wir jedoch noch weit entfernt.

Die folgende Szene dürfte den meisten Leserinnen und Lesern bekannt vorkommen: Soeben ist (wieder einmal) ein großes Passagierflugzeug auf einem Flughafen gelandet, der offensichtlich mit der Anzahl der Fluggäste überfordert ist. Die Folge: lange Schlangen, wohin man blickt, auch und gerade bei den Grenzformalitäten.

Und die Reaktionen darauf hat ebenfalls jeder schon erlebt: schreiende Babys, quengelnde Kinder, wütende Erwachsene und gestresste Beamtinnen und Beamte.

Dazu kommen dann noch spärliche und kaum verständliche Durchsagen,und niemand kann abschätzen, wann dieser Albtraum endlich vorbei sein wird. Eine Situation, die für niemanden angenehm ist, weder für Reisende noch für Flughafenbetreiber, Fluggesellschaften oder Grenzbehörden. Neben vielen anderen Anforderungen sind strenge Sicherheitsbestimmungen einzuhalten, aber der erste Eindruck, den ein Besucher/eine Besucherin (oder ein Reisender/eine Reisende, der/die in sein/ihr Heimatland zurückkehrt) gewinnt, sollte nicht so negativ sein.

Wie lässt sich das vermeiden? Und welche Trends können internationale Reisende in Zukunft erwarten, die ihnen den Grenzübertritt erleichtern? (Im Rahmen dieses Artikels umfasst der Begriff „Grenzübertritt“ Flughäfen, aber auch jede andere Form des Überschreitens von Staatsgrenzen, beispielsweise per Schiff, Bahn, Auto oder zu Fuß.)

Die zunehmende Automatisierung zeigt, wohin die Reise dabei gehen könnte.

Infografik: Passkontrolle neu gedacht

Auf dem Weg zu mehr Automatisierung

Für alle, die mit dem Themenkomplex Grenzkontrolle befasst sind, stehen zwei Dinge im Mittelpunkt: die Gewährleistung der Sicherheit und die Verbesserung der Grenz- und Einreisekontrollen für die Reisenden. Beides unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. Generell gebe es zwei Möglichkeiten, erklärt Michael Brandau, Director Solutions and Product Management, Veridos. „Entweder man stellt mehr Personal ein, was den Platzbedarf erhöht. Oder man investiert in mehr Automatisierung. Dann bleibt die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in etwa konstant, aber der Durchsatz, also die Zahl der Passagierinnen und Passagiere, die den Grenzübergang passieren, steigt.“

Größtenteils tendieren die Grenzbehörden zu Letzterem, wobei die Ereignisse der letzten Jahre dabei eine Rolle gespielt haben. „Seit der COVID-Pandemie denken immer mehr Länder und Behörden aktiv über einen effizienteren Einsatz von Automatisierungstechnologien nach“, so Brandau.

Dafür gibt es verschiedene Ansätze, beispielsweise: 

  1. eine Kombination aus eKiosks und eGates (wie sie demnächst in der gesamten Europäischen Union zu erwarten sind)
  2. eine Kombination aus biometrischer Erfassung am eKiosk und manueller Kontrolle durch Grenzbeamte (z. B. in den USA)
  3. Schleusen für vorab registrierte Reisende (z. B. Global Entry in den USA).

„Eine Verbesserung der Grenzübergänge ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll“, sagt Robert Schneider, responsible for Business Excellence at Veridos. „Akteure, wie beispielsweise Flughafenbetreiber, haben ein Interesse daran, ihren Passagierinnen und Passagieren ein möglichst unkompliziertes Reiseerlebnis zu bieten, damit sie wiederkommen.“ Dies hat einen Dominoeffekt auf ihre Partner wie etwa die Fluggesellschaften. Ein voll funktionstüchtiger Grenzübergang mit allen Annehmlichkeiten ist ein zusätzlicher Anreiz, vergleichbar mit anderen Lifestyle-Entscheidungen. Vor allem, wenn es in der Region einen alternativen Grenzübergang oder Transitpunkt gibt, den der/die Reisende stattdessen wählen könnte.

Doch wie gesagt: Kundenfreundlichkeit ist nur ein Kriterium. Das andere ist ein rundum sicherer Grenzübergang. Der Grenzbeamte/die Grenzbeamtin sollte nicht die erste, sondern die letzte Instanz sein, auf die der/die Reisende trifft. (Hat man ihn passiert, kann man praktisch ungehindert in das andere Land einreisen.) Die Kontrollmaßnahmen der Grenzbehörden finden heute oft schon statt, bevor der/die Reisende den Grenzbeamten/die Grenzbeamtin erreicht.

Die Überprüfung beginnt zu Hause

Digitale Einreisegenehmigungen (Digital Travel Authorisation, DTA) und andere Verfahren zur Datenerfassung haben dank verbesserter Technologien einen Aufschwung erlebt. Länder wie die USA (das Electronic System for Travel Authorization, ESTA, ist vielleicht das weltweit bekannteste Beispiel) nutzen sie in großem Umfang, um berechtigten Reisenden die Einreise zu erleichtern. Programme wie dieses bieten unter anderem folgende Vorteile:

  • Eine zumindest teilweise Vorabprüfung und Datenerfassung hat bereits stattgefunden, bevor der/die Reisende die Schalter der Grenzbeamten und Grenzbeamtinnen erreicht.
  • Vermutlich wurde auch eine Gebühr erhoben.
  • Reisende können die erforderlichen Informationen bequem von zu Hause aus und in aller Ruhe ausfüllen.
  • Der Aufwand ist geringer als beispielsweise der Gang zu einer Botschaft, um ein Visum in den Reisepass stempeln zu lassen.
  • Die erfassten Daten können nahtlos mit der weiteren Bearbeitung an einem eKiosk am Grenzübergang kombiniert werden, wodurch sich der Bedarf an physischen Kontrollen verringert und sich gleichzeitig die Anzahl der Reisenden, die in einem bestimmten Zeitraum den Grenzübergang passieren, erhöht.

Das Sammeln von Informationen an verschiedenen Stationen wird zu einem besseren und kundenfreundlicheren Erlebnis direkt bei der Passkontrolle beitragen. Eine Entwicklung, die durch die zunehmende Verbreitung elektronischer Einreisegenehmigungen und die Umstellung der globalen Reisebranche auf digitale Reisedokumente (Digital Travel Credentials, DTC) gefördert wird. Ein stärkeres Engagement aller Beteiligten und die Bereitschaft, bereits verfügbare Automatisierungstechnologien zu nutzen, erleichtern diese Umstellung. 

„Noch ist es allerdings nicht so weit“, so Brandau, „denn es gibt keine einheitliche technische Lösung, die an allen Grenzübergängen der Welt eingesetzt werden kann.“

Reisendes Paar am Flughafen wartend

Andere Grenzübergänge, andere Voraussetzungen

Laut Robert Schneider sind viele Behörden bei der Nutzung automatisierter Lösungen eingeschränkt. Eine technische Lösung, die durchgängig an allen Grenzübergängen in Betrieb ist, wäre durchaus wünschenswert, würde aber eine umfangreiche Infrastruktur erfordern, einschließlich einer flächendeckenden Internetverbindung und damit verbundener Komponenten (??). Eine solche Infrastruktur ist mit Kosten verbunden, vor denen einige staatliche Stellen zurückschrecken.

Damit eine technologiegestützte Lösung funktioniert, muss außerdem der physische Ausweis, den jede/jeder Reisende vorlegt, mit dem vor Ort verwendeten System kompatibel sein. Ein maschinenlesbarer Reisepass, um nur ein Beispiel zu nennen, wird von einem eGate nicht in der gleichen Weise oder mit der gleichen Effizienz gelesen wie ein ePass. Solange die physischen Dokumente nicht überall vollständig standardisiert sind, wird es selbst an den technisch fortschrittlichsten Grenzübergängen Lücken in der Automatisierung geben.

Gute Aussichten

Global agierende Branchenverbände wie die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) drängen auf eine stärkere Standardisierung der Formate und eine universellere Akzeptanz von technologiebasierten Lösungen wie DTAs und DTCs.

Von einem richtungsweisenden Gremium kommend, ist dies ein gutes Zeichen für die weitere weltweite Einführung von Automatisierungsmaßnahmen. Der Informationsaustausch ist eine weitere Maßnahme, mit der vor allem benachbarte Länder zusammenarbeiten können, um die Abläufe an den Grenzübergängen zu optimieren. Dadurch kann der Durchsatz erhöht und hoffentlich auch die Kosten gesenkt werden. Personen, die von einem in ein anderes Land reisen, würden beispielsweise nur auf einer Seite einer strengen Grenzkontrolle unterzogen und könnten die Grenze auf der anderen Seite ohne Kontrollen passieren. Die Vorteile für die Grenzbehörden und die Reisenden liegen auf der Hand.

Es sieht so aus, als gäbe es einen Weg, von dem Reisende bisher nur träumen konnten: das sogenannte reibungslose und problemlose Reiseerlebnis. Doch was genau verbirgt sich dahinter und wie weit ist es noch bis dahin?

“Es besteht immer die Möglichkeit, dass ein menschlicher Mitarbeiter/eine menschliche Mitarbeiterin in den automatisierten Prozess eingreifen muss. Selbst wenn wir uns in biometrischen, kontaktlosen Korridoren bewegen, wird es immer jemanden geben, der/die den Prozess überwacht. Ich denke, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.“
Michael Brandau
Director Solutions and Product Management, Veridos

Biometrie: der Schlüssel zum Abbau von Barrieren

Die Voraussetzungen für automatisierte Grenzübertritte haben sich durch die jüngsten Fortschritte in der Biometrie, sowohl bei der Registrierung durch elektronische Kioske als auch bei der Verifizierung, entscheidend verändert. In Verbindung mit DTA und anderen benutzerfreundlichen Technologien kann die Biometrie das Reisen grundlegend und nachhaltig umgestalten.

Es gibt jedoch auch Risikofaktoren. Das Erste, was Reisende in der Regel mit Biometrie in Verbindung bringen, ist die Erfassung von Fingerabdrücken. Systeme, die auf Fingerabdrücken basieren, sind zwar einfach zu handhaben und weltweit sehr verbreitet, werden aber von den Benutzerinnen und Benutzern möglicherweise aus Hygienegründen oder wegen anderer Assoziationen, wie der Verwendung von Fingerabdrücken im Strafvollzug, abgelehnt.

Auch bei der Gesichtserkennung hat sich einiges getan: Die Technologie ist so weit ausgereift, dass Behörden, die bisher ausschließlich auf Fingerabdrücke setzten, nun auch die Gesichtserkennung in ihre Kontrollverfahren einbeziehen. Auch der Iris-Scan wird immer präziser, sowohl bei der Datenerfassung als auch bei der Verifizierung. Für die Befürworterinnen und Befürworter sogenannter kontakt- und reibungsloser Korridore – entlang derer sich Reisende bewegen können, ohne jemals einem Grenzbeamten/einer Grenzbeamtin zu begegnen, während gleichzeitig ihre Identifikationsdaten biometrisch überprüft werden – ergibt sich daraus ein Szenario, das bald Realität werden könnte.

„Ein echter biometrischer Korridor, der ungehindertes Reisen ermöglicht, ist weltweit allerdings noch nicht über die Proof-of-Concept-Phase hinausgekommen“, sagt Brandau. Gesichtserkennung in Bewegung ist möglich, aber die Iris-Verifikation bleibt schwierig. Auch die Frage, wie ein Beamter/eine Beamtin im Bedarfsfall eingreifen kann, ist noch nicht beantwortet. 

„Auf einen kontakt- und reibungslosen Korridor, der auf biometrischer Verifikation basiert, kann man sich durchaus freuen“, so Schneider. „Aber noch sind wir nicht so weit.“ Nach Ansicht von Brandau wird die Überwachung durch Menschen immer notwendig sein. „Wir sprechen von ,automatisiert‘, nicht von ,automatisch‘. Es besteht immer die Möglichkeit, dass ein menschlicher Mitarbeiter/eine menschliche Mitarbeiterin in den automatisierten Prozess eingreifen muss. Selbst wenn wir uns in biometrischen, kontaktlosen Korridoren bewegen, wird es immer jemanden geben, der/die den Prozess überwacht. Ich denke, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.“

Key Takeaways

  • Grenzübergänge werden zunehmend automatisiert, beispielsweise durch die biometrische Erfassung an eKiosks und das reibungslose Passieren von eGates.
  • Technische Lösungen zur Unterstützung der Reisenden beginnen bereits zu Hause, beispielsweise in Form von Digital Travel Authorisations (DTAs).
  • Obwohl sich die biometrische Verifizierung kontinuierlich verbessert, lässt der kontakt- und reibungslose Korridor noch auf sich warten.

Veröffentlicht: 23.08.2024

Diesen Artikel teilen

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Verpassen Sie nicht die neusten Artikel von G+D SPOTLIGHT: Wenn Sie unseren Newsletter abonnieren, bleiben Sie immer auf dem Laufenden über aktuelle Trends, Ideen und technische Innovationen – jeden Monat direkt in Ihr Postfach.

Bitte geben Sie Ihre Daten an: