Veröffentlicht: 13.02.2025

Digitale Währungen: die Zukunft für Geschäftsbanken
Das Aufkommen digitaler Währungen hat den Bankensektor in den letzten Jahren grundlegend verändert. Während sich Finanzsysteme weiterentwickeln, stehen Geschäftsbanken vor einer strategischen Entscheidung: Wollen sie sich defensiv verhalten und dem Wandel folgen, der von anderen Akteuren wie Fintechs forciert wird – oder ergreifen sie selbst die Initiative, setzen auf Innovation und treiben Ökosysteme für tokenisiertes Geld voran? Ob digitale Zentralbankwährungen für die Allgemeinheit (Retail-CBDCs) oder in Form von Wholesale-CBDCs, tokenisierte Einlagen, auch bekannt als Commercial Bank Money Token (CBMTs), oder Stablecoins – im Folgenden werden einige wichtige Gründe erläutert, warum Geschäftsbanken die verschiedenen digitalen Währungen in Betracht ziehen sollten.
Für Geschäftsbanken gibt es gute Gründe, auf digitale Währungen zu setzen: Mit Retail-CBDCs können neue Einnahmequellen erschlossen werden, beispielsweise durch das Angebot von Zusatzdienstleistungen wie programmierbaren digitalen Geldbörsen oder der Ausgabe von Smartcards für digitales Bezahlen ohne Online-Verbindung. Außerdem lassen sich damit Menschen erreichen, die bislang keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu Bankdienstleistungen haben. Für Geschäftsbanken ist dies eine Chance, neue Zielgruppen anzusprechen und ihre Reichweite und ihren Kundenstamm zu erweitern.

Digitalwährungen können Abwicklungszeiten und Transaktionskosten für Banken durch innovative Anwendungsfälle erheblich reduzieren. Wholesale-CBDCs sind besonders nützlich für Interbankzahlungen. Sie ermöglichen sogenannte Atomic Settlements, wie beispielsweise Lieferung gegen Zahlung (Delivery versus Payment, DvP) – eine wichtige Abrechnungsform bei Wertpapieren und der Finanzierung von Handelsgeschäften. Tokenisierte Einlagen wiederum eignen sich besonders für den Bedarf von Unternehmen nach stärker automatisierten und konformen Zahlungslösungen. Dazu gehören die Automatisierung von Lieferantenzahlungen für bestimmte Lieferbedingungen, die Finanzierung der Lieferkette und das Cash-Pooling im betrieblichen Finanzmanagement.
Ein weiterer Treiber für die Einführung digitaler Währungen ist der Wettbewerb. Durch die rasche Ausweitung des digitalen Zahlungsangebots großer Technologie- und Fintech-Unternehmen laufen Geschäftsbanken Gefahr, an Marktrelevanz zu verlieren, wenn sie nicht selbst aktiv werden. Stablecoins stellen für Unternehmen eine Alternative für B2B- und grenzüberschreitende Transaktionen dar und bedrohen die marktbeherrschende Stellung der Banken in diesem Bereich.
“Banken, die sich die Vorteile digitaler Währungen zunutze machen und ihren Kunden neue Anwendungsfälle aufzeigen, können sich in einer tokenisierten Wirtschaft behaupten.“
Senior Business Analyst für CBDC, G+D
Nach Ansicht von Dr. Roman Hartinger, Senior Business Analyst für digitale Währungen bei G+D, waren Banken in der Vergangenheit die Vorreiter bei Innovationen – sie führten bahnbrechende Produkte wie Bezahlkarten oder das Online-Banking ein. „Banken, die sich die Vorteile digitaler Währungen zunutze machen und ihren Kunden neue Anwendungsfälle aufzeigen, können sich in einer tokenisierten Wirtschaft behaupten“, so Hartinger.
Retail-CBDCs: eine Chance für Innovationen
Für Geschäftsbanken sind Retail-CBDCs eine Möglichkeit, digitale Dienstleistungen auszubauen und Kunden und Kundinnen zu gewinnen. Die Integration von Retail-CBDCs in bestehende Bank-Apps und -Plattformen vereinfacht den Zugang zu digitalem Bargeld und kann beispielsweise neue Wege für das Onboarding von Kunden und Kundinnen in strukturschwachen Gebieten schaffen.
Retail-CBDCs ermöglichen zahlreiche Innovationen: Verbraucherinnen und Verbraucher können an POS-Terminals, Online-Checkouts und innerhalb von Apps schneller und sicherer bezahlen. Banken können neueste und modernste Funktionen freischalten, die beispielsweise automatisierte und programmierbare Zahlungen sowie die Abwicklungen von Maschine-zu-Maschine- und IoT-bezogene Transaktionen ermöglichen.
Die Einführung von Retail-CBDCs hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die sich auf alle Akteure im Ökosystem auswirken – Geschäftsbanken, Händler sowie Verbraucherinnen und Verbraucher. Damit Geschäftsbanken neben ihren bestehenden Bankdienstleistungen auch eine führende Rolle bei der Verteilung von Retail-CBDCs übernehmen können, muss dieses Geschäftsmodell sorgfältig auf ihr Kerngeschäft abgestimmt werden.
Der digitale Euro als Beispiel würde im Wesentlichen als Online-Geldbörse fungieren, die beispielsweise von Banken verwaltet wird, aber mit der Garantie der EZB. EZB-Direktoriumsmitglied Piero Cipollone hat kürzlich die potenziellen Vorteile von CBDCs mit den Risiken verglichen, die die globale Stablecoin-Entwicklung für die Banken der Eurozone mit sich bringen könnte, einschließlich des Verlusts von Gebühreneinnahmen und des schrumpfenden Kundenstamms.1
“Eine Retail-CBDC als allgemeine Zahlungsoption muss mit den Geschäftszielen der Geschäftsbanken im Einklang stehen, um einen „Do no harm“-Ansatz zu gewährleisten. Nur so lässt sich eine sichere und skalierbare Einführung realisieren, von der alle Beteiligten im CBDC-Ökosystem profitieren.“
Senior Strategy Consultant für CBDC, G+D
Dr. Abbas Albasha, Senior Strategy Consultant für digitale Währungen bei G+D, plädiert für ein faires Vergütungsmodell, damit Geschäftsbanken Retail-CBDCs aktiv fördern. Das würde nicht nur Anreize für Banken schaffen, sondern auch die Akzeptanz bei Händlern und letztlich bei Endnutzerinnen und Endnutzern begünstigen. Mit anderen Worten: Das Vergütungsmodell müsste die traditionellen Einnahmequellen der Geschäftsbanken schützen. „Eine Retail-CBDC als öffentliches Bezahlinstrument muss mit den Geschäftszielen der Geschäftsbanken im Einklang stehen, um einen „Do no harm“-Ansatz zu gewährleisten. Nur so lässt sich eine sichere und skalierbare Einführung realisieren, von der alle Beteiligten im CBDC-Ökosystem profitieren“, so Albasha.
Wholesale-CBDCs und CBMTs
Während sich Retail-CBDCs an die Bevölkerung und kleine Unternehmen richten, sind Wholesale-CBDCs und Deposit-Token für Transaktionen zwischen Banken bzw. Unternehmen gedacht. Mit Wholesale-CBDCs lassen sich erhebliche Effizienzsteigerungen erzielen, beispielsweise durch die Optimierung von Interbank-Abwicklungen, grenzüberschreitenden Zahlungen und Wertpapiertransaktionen. Tokenisierte Einlagen bzw. CBMTs bieten Unternehmen eine sichere Alternative zu Stablecoins und können Bedenken hinsichtlich Compliance-Vorschriften, der steuerlichen Behandlung und des Risikomanagements ausräumen.
CBMTs zeigen ein erhebliches Potenzial für anspruchsvolle Anwendungsfälle wie M2M- und IoT-Zahlungen sowie in der Lieferkettenfinanzierung. So haben beispielsweise DG nexolution, DZ BANK, Festo und Giesecke+Devrient mit Offline-M2M-Zahlungen in sicheren Umgebungen experimentiert und die Möglichkeiten von Deposit-Token in der Industrie 4.0 aufgezeigt.
Initiativen, die den Wandel vorantreiben
Verschiedene hochkarätige Projekte demonstrieren das Potenzial digitaler Währungen für Geschäftsbanken. Alle Initiativen zeigen, wie Banken eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Integration digitaler Währungslösungen übernehmen können – abgestimmt auf die Bedürfnisse von Privat- und Geschäftskunden.
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Project Agorá
An dieser Initiative sind sieben große Zentralbanken beteiligt, darunter die Federal Reserve Bank of New York, die Bank of England und die Bank of Japan, sowie 40 und Kreditgeberinnen aus dem Privatsektor. Unter der Leitung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) konzentriert sich die Initiative auf die Entwicklung grenzüberschreitender Wholesale-CBDCs und CBMTs, die ihre Wirksamkeit bei grenzüberschreitenden Zahlungen unter Beweis stellen.2
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Project Ensemble
Das von der Hong Kong Monetary Authority geleitete Project Ensemble wird vom Privatsektor vorangetrieben und entwickelt Fallstudien für B2B-Zahlungen unter Verwendung von Wholesale-CBDCs und CBMTs. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Effizienz und Sicherheit digitaler Währungen in den Finanzprozessen von Unternehme.3
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CBMT-Arbeitskreis in Deutschland
In diesem Projekt hat sich eine Gruppe deutscher Banken und Unternehmen zusammengeschlossen, um CBMT-Lösungen für B2B-Transaktionen zu entwickeln. Untersucht wird, wie tokenisierte Einlagen, die die Flexibilität und Effizienz von DLT nutzen, eingesetzt werden können, um die Konvergenz neuer Geschäftsprozesse innerhalb der Industrie 4.0 mit einer effizienten und sicheren Finanzabwicklung zu ermöglichen.4

Stablecoins: ein zweischneidiges Schwert
Für Geschäftsbanken sind Stablecoins sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung. Regulierte Stablecoins, darunter auch die in Europa im Rahmen von MiCAR ausgegebenen, werden für B2B-Zahlungen immer beliebter. Ihre Akzeptanz hängt jedoch davon ab, dass sie eine hohe Bindungsrate aufweisen und stabil bleiben, was erhebliche Investitionen seitens der Emittenten voraussetzt.
Hier sind Banken klar im Vorteil. Im Gegensatz zu Emittenten von Stablecoins können sie Deposit-Token (CBMTs) anbieten, ohne dass dafür eine Eins-zu-eins-Reserve erforderlich ist. Sie nutzen ihre bestehende Infrastruktur, um CBMTs mit weniger regulatorischen Auflagen zur Verfügung zu stellen. Infolgedessen werden Deposit-Token oft als eine sicherere und konformere digitale Währungslösung für Unternehmen angesehen.
Allerdings können auch Banken als Emittenten von Stablecoins auftreten, das zeigen Initiativen wie Kinexys von J.P. Morgan und Forge Coin von Société Générale. Abgesehen von den Mindestreserveanforderungen besteht der Hauptunterschied darin, dass Stablecoins Inhaberpapiere sind. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Deposit-Token um Verbindlichkeiten, die beim Umtausch mit Unternehmen oder Einzelpersonen, die nicht Kundinnen und Kunden desselben Emittenten sind, beglichen werden müssen. Dennoch dürften regulierte Stablecoins weiterhin eine wichtige Rolle bei grenzüberschreitenden Transaktionen und als stabile Kryptowährung für Investitionen in „On-Chain“-Lösungen spielen.
Strategieentscheidungen für Banken
Die Branche experimentiert mit mehreren Formen von tokenisiertem Geld gleichzeitig, was Banken vor strategische Entscheidungen stellt. Retail- und Wholesale-CBDCs, CBMTs und Stablecoins haben jeweils unterschiedliche Verbindlichkeiten und erfüllen unterschiedliche Funktionen, die von Privatkundenzahlungen bis hin zu anspruchsvollen und komplexen B2B-Anwendungsfällen reichen. Banken können diese Vielfalt nutzen und mehr Optionen anbieten, um mehr Kunden anzuziehen und zu halten.
Passivität in diesem Bereich birgt dagegen erhebliche Risiken und hohe Opportunitätskosten. Wenn Banken keine digitalen Währungen einführen, laufen sie Gefahr, im Zahlungsverkehr erhebliche Marktanteile an bankfremde Wettbewerber zu verlieren, darunter große Technologie- und Fintech-Unternehmen. Durch proaktives Handeln können Banken ihren Wettbewerbsvorteil wahren. Sie befinden sich in einer einzigartigen Position, um die digitale Währungsrevolution anzuführen, indem sie ihre starke Basis nutzen und ihre bestehende Infrastruktur und ihre Compliance-Rahmenbedingungen mit Innovationsgeist kombinieren.
Der Bankensektor wird sich durch digitale Währungen verändern. Sie bieten Geschäftsbanken die Möglichkeit, Innovationen voranzutreiben, die finanzielle Inklusion zu fördern und eine führende Rolle in einem tokenisierten Finanzsystem zu übernehmen. Banken müssen sich mit Nachdruck auf Lösungen für tokenisiertes Geld konzentrieren, wenn sie auch weiterhin relevant bleiben und den sich wandelnden Bedürfnissen verschiedener Märkte gerecht werden wollen. Dazu müssen sie strategische Entscheidungen treffen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden und Kundinnen zugeschnitten sind.
Key Takeaways
- Digitale Währungen verändern das Bankwesen. Sie fördern die finanzielle Inklusion, senken Kosten und ermöglichen Innovationen.
- Banken müssen proaktiv handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben, und CBDCs, CBMTs und Stablecoins nutzen.
- Initiativen wie Project Agorá und Project Ensemble unterstreichen das Potenzial tokenisierter Währungen für den Einsatz in der Allgemeinheit und in Unternehmen.
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ECB pitches digital euro as response to Trump’s crypto push, Reuters, 2025
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Project Agora FAQs, BIS Innovation Hub, accessed 2025
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HKMA unveils Project Ensemble to support the development of the Hong Kong tokenisation market, HKMA, 2024
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Commercial Bank Money Token, Proof of concept report, Die Deutsche Kreditwirtschaft, 2024
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