Verkehrsschild mit der Aufschrift „Tokenization ahead“
#Tech Innovation

Offline-M2M-Zahlungen mit CBMTs ermöglichen

Interview
7 Min.

Machine-to-Machine-(M2M-)Zahlungen nehmen zu und mit Commercial Bank Money Tokens (CBMTs)  können sie nahtlos durchgeführt werden – mit oder ohne Internetverbindung.

Weltweit setzt die Industrie zunehmend auf Automatisierungs- und Konnektivitätslösungen wie das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), um weitere Effizienzsteigerungen zu erzielen. Die Zahlungsinfrastruktur hat mit dieser Entwicklung noch nicht Schritt gehalten. Die Einführung von M2M- dürfte eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der digitalen Wirtschaft spielen, insbesondere im Bereich der B2B-Zahlungen. 

Bisher fehlte es bestehenden M2M-Zahlungslösungen jedoch an Offline-Fähigkeit. Das ist vor allem für Unternehmen problematisch, die in abgelegenen Regionen oder Hochsicherheitsumgebungen mit begrenzter Konnektivität angesiedelt sind. Ein Prototyp, der in Zusammenarbeit von DG NexolutionDZ BankFesto und Giesecke+Devrient (G+D) entwickelt wurde, soll hier Abhilfe schaffen. Das System ermöglicht sichere M2M-Transaktionen unter Verwendung von digitalen Geld-Tokens. Die Geräte sind mit digitalen Geldbörsen ausgestattet, die digitale Geld-Tokens speichern und offline miteinander austauschen können. Der Geldaustausch erfolgt über Ethernet, Bluetooth oder NFC. In Deutschland sind tokenisierte Einlagen bzw. digitale Geld-Tokens vor allem unter dem Begriff Commercial Bank Money Tokens oder kurz CBMTs bekannt.

 

Spotlight hat vier Expertinnen und Experten, die an der Entwicklung des Prototyps beteiligt waren, gefragt, welche Rolle tokenisierte Einlagen in den nächsten Jahren spielen werden. Im nachfolgenden Interview wird der Einfachheit halber der Begriff CBMTs verwendet.

Was sind CBMTs?

Portrait von Sebastian Baierle
Sebastian Baierle, Manager Strategic Partnerships Digital Currencies, Giesecke+Devrient

Beginnen wir mit dem Grundsätzlichen: Was sind CBMTs und warum sind sie gerade jetzt ein so wichtiges Thema?

Sebastian Baierle, G+D: Ein Commercial Bank Money Token (CBMT) ist eine digitale Darstellung von Bankeinlagen, die auf einer oder mehreren Blockchains oder Distributed Ledgern (DLT) bereitgestellt wird. Sie werden allgemein auch als tokenisierte Einlagen bezeichnet. CBMTs ergänzen andere digitale Geldformen wie CBDCs und Stablecoins, wobei der Schwerpunkt auf dem Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen liegt. Tokenisiert werden Einlagen, indem ein digitales 1:1-Äquivalent des Geldes auf den Konten geschaffen wird, das programmierbare, sichere und transparente Transaktionen ermöglicht, wobei häufig Smart Contracts zur Automatisierung eingesetzt werden.

Bei der Ausgabe und Einlösung von Tokens behalten die Banken die volle Kontrolle. Die Tokens einer Bank können mit den Tokens anderer Banken interagieren und so nahtlose Zahlungen zwischen verschiedenen Banken und DLT-Netzwerken gewährleisten. Diese Interoperabilität ist der Schlüssel, um die Akzeptanz, Skalierbarkeit und Benutzerfreundlichkeit zu fördern.

Liv Tschee-Wegert, DZ Bank: Wir beobachten Bemühungen der Industrie, neue industrielle Ökosysteme zu schaffen, und häufig wird dabei die DLT genutzt. Was jedoch fehlt, ist eine vertrauenswürdige Form von Geld, die zur Abwicklung von Transaktionen auf DLT verwendet werden kann. CBMTs sind ein „Upgrade“ von Geschäftsbankgeld für die Distributed-Ledger-Technologie. Mit ihnen können Unternehmen Transaktionen so zuverlässig und vertrauenswürdig abwickeln wie mit herkömmlichem Geschäftsbankgeld, jedoch mit der Flexibilität und Programmierbarkeit, die DLT bietet.

Unser Ziel ist es, ein vertrauenswürdiger Partner und die bevorzugte Anlaufstelle in Finanzfragen für unsere Kunden zu bleiben. CBMTs helfen uns dabei. Sie stärken nicht nur die Kundenbeziehungen, sondern tragen auch dazu bei, Einlagen zu halten – eine wichtige Voraussetzung, damit wir weiterhin wettbewerbsfähige Kreditkonditionen anbieten können.

Portrait von Liv Tschee-Wegert
Liv Tschee-Wegert, Expert Digital Currencies, DZ Bank

Wie können CBMTs helfen, dieses Ziel zu erreichen?

Liv Tschee-Wegert, DZ Bank: Die Finanzverantwortlichen in Unternehmen vertrauen auf Geschäftsbankengeld, weil es ihnen bekannt ist und nicht die Risiken birgt, die mit Alternativen wie Stablecoins verbunden sind.

CBMTs können jederzeit gegen traditionelle Einlagen getauscht werden. Gleichzeitig ermöglichen sie programmierbare Zahlungen über Smart Contracts, Peer-to-Peer-Transaktionen ohne Intermediäre und Atomic Settlements. Damit bilden sie eine effektive Brücke zwischen traditionellen Finanzsystemen und den neuen Möglichkeiten von DLT.

Warum ist es für das Ökosystem der tokenisierten Zahlungen so wichtig, dass es auch offline funktioniert?

Portrait von Alexander Hüsgen
Alexander Hüsgen, Project Manager Blockchain Solutions, DG Nexolution

Alexander Hüsgen, DG Nexolution: Erstens hat man die Möglichkeit, jederzeit und überall zu bezahlen, ohne auf eine Internetverbindung angewiesen zu sein. Es ist wie mit Bargeld. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Geld physisch in einer Offline-Wallet gespeichert werden kann. So können Geräte oder Maschinen selbstständig Zahlungen durchführen, auch wenn sie offline sind. Dies ist besonders nützlich bei Geräten oder Fahrzeugen, die in Bewegung sind, wie auch in Lieferketten und Produktionsbereichen mit eingeschränktem Internetzugang.

Liv Tschee-Wegert, DZ Bank: Offline-CBMTs sind für Unternehmen, die in abgelegenen Gebieten operieren, wo kein zuverlässiger Internetzugang verfügbar ist und es zu Netzausfällen kommen kann, dringend erforderlich. Offline-Zahlungsfunktionen bieten eine universelle Lösung sowohl für Online- als auch für Offline-Umgebungen, wodurch die betriebliche Effizienz erhöht und alternative Offline-Zahlungsmethoden überflüssig werden.

Sebastian Baierle, G+D: Unternehmen müssen Zahlungen oft zeitnah abwickeln, sei es in Produktionsstätten, bei Systemausfällen oder in Hochsicherheitsumgebungen, in denen der Online-Zugang eingeschränkt sein kann. Die Offline-Fähigkeit unterstützt die Kontinuität von Lieferketten und kritischen Transaktionen, sie reduziert das Risiko von Verzögerungen und finanziellen Einbußen. Sie ermöglicht auch eine sofortige Abrechnung in Umgebungen, in denen eine Online-Synchronisierung in Echtzeit nicht möglich ist. Aufgrund dieser Verlässlichkeit lassen sich tokenisierte Zahlungen in der Praxis anwenden und gewährleisten einen reibungslosen und stabilen Geschäftsbetrieb.

CBMT-Entwicklung durch Kooperation und Innovation

Portrait von Jacob Decker
Jacob Decker, Project Lead AI & Innovation, Festo

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit beim Aufbau dieses neuen Ökosystems?

Liv Tschee-Wegert, DZ Bank: CBMT ist eine Gemeinschaftsinitiative, die durch enge Partnerschaften zwischen Banken, Industrievertreterinnen und -vertretern sowie Rechtsexpertinnen und -experten vorangetrieben wird. Wir haben auch potenzielle Kunden aktiv in die Entwicklung einbezogen, um sicherzustellen, dass die Lösung auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Alle bisherigen Fortschritte sind das direkte Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit.

Wie können Unternehmen und die Industrie von CBMTs profitieren?

Sebastian Baierle, G+D: Die Tokenisierung von Finanzmitteln bietet erhebliche Vorteile, beispielsweise eine nahezu sofortige Abwicklung oder die Durchführung von Atomic Settlements sowie die Automatisierung von Zahlungsprozessen – was neue Anwendungsfälle erschließt. Da CBMTs von vertrauenswürdigen Hausbanken ausgegeben werden, ist die Akzeptanz bei Unternehmen höher.

Sie kombinieren die Verlässlichkeit des traditionellen Bankgeschäfts mit den technologischen Vorteilen der Tokenisierung und sind damit gut positioniert, um die Anforderungen eines sich wandelnden Finanzökosystems zu erfüllen. Dennoch müssen die Erwartungen etwas gedämpft werden. Da es sich bei CBMTs um ein relativ neues Konzept handelt, werden wahrscheinlich weitere Pilotprojekte und eine iterative Entwicklung erforderlich sein, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Jacob Decker, Festo: Die Tokenisierung stellt unseren Kunden und Partnern die Instrumente zur Verfügung, mit denen sie innovative Geschäftsmodelle entwickeln können, insbesondere in Offline-Umgebungen wie dem Shopfloor. Sie bietet eine sichere und zuverlässige Grundlage, um komfortable Pay-per-Use- oder Lizenzierungsoptionen zu implementieren und Abrechnungsprozesse zu verschlanken.

Wir untersuchen bereits die Auswirkungen dieser Technologie auf verschiedene Anwendungen, darunter industrielle Pay-per-Use-Szenarien, Offline-Abonnements und einige mehr. Mit diesen Modellen lassen sich Effizienz und Flexibilität steigern und neue Möglichkeiten für die Wertschöpfung von Unternehmen erschließen.

Was war der Hauptgrund für Festo, sich an diesem Projekt zu beteiligen?

Jacob Decker, Festo: Unser Ziel bei Festo ist es, die besten Automatisierungslösungen für unsere Kunden zu entwickeln. Wir nutzen unser offenes Innovationsnetzwerk, um Zugang zu Spitzentechnologie zu erhalten, sie zu entwickeln und zu validieren. Im Rahmen dieses Projekts konnten wir untersuchen, wie tokenisierte Zahlungen industrielle Prozesse verändern und völlig neue Geschäftsmodelle schaffen können. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern haben wir ein hochinnovatives Team zusammengestellt, das sich der Erforschung neuer Technologien verschrieben hat, die industrielle Prozesse verändern können und sicherstellen, dass unsere Kunden von den neuesten Innovationen in der Automotive-Industrie profitieren.

“Die Tokenisierung stellt unseren Kunden und Partnern die Instrumente zur Verfügung, mit denen sie innovative Geschäftsmodelle entwickeln können, insbesondere in Offline-Umgebungen.“
Jacob Decker
Festo

Zukunftschancen und Herausforderungen

Welche Hürden müssen noch genommen werden, bevor es zu einer Einführung kommen kann?

Alexander Hüsgen, DG Nexolution: Wie bei allen Bezahlverfahren sind Verbreitung und Akzeptanz entscheidend für den Erfolg von CBMTs. Um eine Offline-Nutzung zu ermöglichen, ist die Integration von Hardware-Wallets in Endgeräte eine notwendige Voraussetzung. Unser Demonstrator beweist die Machbarkeit der Integration einer solchen Wallet in eine Festo-Steuerungseinheit und schafft damit die Grundlage für die Interaktion mit Maschinen.

Unser Hauptziel war, die Machbarkeit zu demonstrieren. Als Nächstes steht nun die praktische Anwendung dieser Technologie in der Industrie an. Wir sind gespannt auf die Reaktionen und das Feedback aus der Branche und laden Unternehmen dazu ein, gemeinsam mit uns die innovativen Geschäftsmodelle der Zukunft zu erforschen und zu gestalten.

Was sind hierbei die größten Herausforderungen für Banken?

Liv Tschee-Wegert, DZ Bank: Eine der Hauptaufgaben besteht darin, eine regulatorische Angleichung zu erreichen. So wird sichergestellt, dass CBMTs rechtlich als Geschäftsbankengeld anerkannt werden. Dies ist entscheidend für den Aufbau des Vertrauens und die Einhaltung von Vorschriften, was für eine breite Akzeptanz erforderlich ist. 

Eine wesentliche Stärke von CBMTs ist die Fungibilität. Wir müssen genau beobachten, wie sich tokenisierte Einlagen entwickeln, um zu erkennen, wo Anpassungen an andere Ansätze möglich sind. Letztendlich hängt der Erfolg von CBMTs davon ab, die Bedürfnisse von Kunden, Banken und Aufsichtsbehörden in Einklang zu bringen. Nur so kann eine Lösung entstehen, von der alle Beteiligten profitieren.

Abschließend noch die Frage: Welche Zahlungsoptionen und Anwendungsfälle halten Sie in Zukunft für CBMTs noch für möglich?

Sebastian Baierle, G+D: CBMTs sind extrem vielseitig und haben das Potenzial, den Zahlungsverkehr in sehr vielen Branchen zu verändern. Im IoT-Ökosystem können sie beispielsweise autonome M2M-Transaktionen erleichtern. Ich denke da an Zahlungen für Dienstleistungen wie etwa Tanken, Mautgebühren oder Wartung.

Im geschäftlichen Kontext eröffnen CBMTs auch den Finanzabteilungen von Unternehmen neue Optionen: Liquiditätsmanagement in Echtzeit, grenzüberschreitende Zahlungen und automatisierte Workflows wie Gehaltsabrechnungen und Lieferantenzahlungen.

Auch der Transportsektor wird davon profitieren, da CBMTs nutzungsbasierte Zahlungsmodelle für urbane Mobilität unterstützen können, beispielsweise für Carsharing, öffentliche Verkehrsmittel und Mietwagen. Im Supply-Chain-Segment können CBMTs, die in Smart Contracts integriert sind, Zahlungen, basierend auf vordefinierten Auslösern wie Lieferbestätigungen oder dem Erreichen von Meilensteinen, automatisieren.

CBMTs sind auch in der Energiewirtschaft interessant, da sie eine dynamische Preisgestaltung und Mikrozahlungen in Netzen für erneuerbare Energien ermöglichen. Die Systeme könnten selbstständig Strom auf Basis des Echtzeitbedarfs handeln. Wir sind gespannt, wie sich diese und andere neue Anwendungsfälle mit der Weiterentwicklung der CBMTs gestalten werden.

Key Takeaways

  1. Commercial Bank Money Tokens (CBMTs) stellen tokenisierte Bankeinlagen dar und können die Lücke zwischen traditionellem Bankwesen und industrieller Automatisierung schließen.
  2. CBMTs mit Offline-Fähigkeit lösen die Herausforderungen eingeschränkter Konnektivität in abgelegenen oder hochsicheren Umgebungen und sorgen für nahtlose Prozesse und Zahlungen jederzeit und überall.
  3. CBMTs können innovative neue Anwendungsfälle wie Pay-per-Use, automatisierte Zahlungen, dynamische Preisgestaltung, Mikrozahlungen und mehr ermöglichen.

Veröffentlicht: 27.02.2025

Diesen Artikel teilen

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Verpassen Sie nicht die neusten Artikel von G+D SPOTLIGHT: Wenn Sie unseren Newsletter abonnieren, bleiben Sie immer auf dem Laufenden über aktuelle Trends, Ideen und technische Innovationen – jeden Monat direkt in Ihr Postfach.

Bitte geben Sie Ihre Daten an: