Veröffentlicht: 28.01.2025

So funktioniert interkulturelles Management
Sie verhandelt mit Regierungsbehörden und hat einen Ruf als „Eiserne Lady“: Fabiola Bellersheim, Vice President Sales Asia & Caribbean bei Veridos, gibt Einblicke in ihre Erfahrung als Führungskraft, in interkulturelle Zusammenarbeit und die Umsetzung eines der größten G+D-Projekte.
Inhaltsverzeichnis
Frau Bellersheim, Sie sind gerade in Dhaka, in Bangladesch. Was führt Sie in diesen Teil der Welt?

Der Grund für meine Anwesenheit hier ist ein langjähriger und sehr wichtiger Kunde von uns: das Innenministerium, genauer gesagt, die Einwanderungsbehörde, die für Pässe und Visa zuständig ist. Für die Behörde haben wir eines der größten ePass-Projekte unserer Branche realisiert. Bei einem so großen Auftrag gibt es viel zu besprechen und weiterzuentwickeln. Tagsüber führe ich aufschlussreiche, konstruktive Gespräche mit hochrangigen Regierungsbeamten, frühmorgens oder abends treffe ich mich mit Kolleginnen und Kollegen sowie Geschäftspartnern zum Golf-, Tennis- oder Tischtennisspielen. Das mag ich so an meinem Job – er hält mich im wahrsten Sinne des Wortes auf Trab.
Das klingt spannend! Können Sie uns etwas über das Projekt erzählen?
Es handelt sich um eine schlüsselfertige, sogenannte Turnkey-Lösung, bei der wir das gesamte ePass-System geliefert haben. Von der Datenerfassung bis zur Produktion, von einer fortschrittlichen Personalisierungsinfrastruktur und der Passausstellung bis zu Kunden- und Wartungsdienst. Aktuell konzentrieren wir uns darauf, wie wir unseren Kunden dabei unterstützen können, den Service für seine Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern. Dazu gehört beispielsweise das Angebot, einen neuen Reisepass mobil zu beantragen. Es geht um weit mehr als die bloße Ausstellung von Dokumenten: Wir fördern den Wissenstransfer und schaffen nachhaltige Systeme.
“Tagsüber führe ich aufschlussreiche, konstruktive Gespräche mit hochrangigen Regierungsbeamten, frühmorgens oder abends treffe ich mich mit Kolleginnen und Kollegen sowie Geschäftspartnern zum Sport.“
Vice President Sales Asia & Caribbean bei Veridos
Blicken wir kurz zurück: Wie führte Ihr beruflicher Werdegang zu Ihrer Position bei Veridos?
Nachdem ich mein Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen hatte, fing ich bei einer Beratungsfirma an, die mit Druckereien im Hochsicherheitsbereich zusammenarbeitete. Diese Firma schickte mich für drei Jahre nach Indonesien, um ihr Büro für Südostasien zu leiten – seitdem bin ich von Asien fasziniert.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland wurde ich mit Herrn Hans-Wolfgang Kunz bekannt gemacht, der zu dieser Zeit bei G+D als Geschäftsführer für den Bereich Currency Automation zuständig war. Ich ging nach München und arbeitete in der strategischen Geschäftsentwicklung. Nach zehn Jahren übernahm Herr Kunz den Geschäftsbereich Government Solutions und ich wechselte in den Vertrieb. Mein Schwerpunkt liegt auf dem internationalen Markt – insbesondere auf Asien. Als sich 2016 die Gelegenheit bot, das ePassport-Geschäft in Bangladesch aufzubauen, konnte ich nicht widerstehen.
Ich bin mindestens 25-mal nach Bangladesch gereist, bevor ich den Vertrag schließlich unterzeichnete. In der Zeit habe ich viele prägende Erfahrungen gemacht, unvergessliche Eindrücke gesammelt und viele schlaflose Nächte verbracht.
Das ePass-Projekt war ein großer Erfolg für das Unternehmen. Welche Bilanz ziehen Sie aus der bisherigen Arbeit?
Zunächst einmal war es mit 342 Millionen Euro der größte Auftrag in der Geschichte von G+D. Die Umsetzung eines so komplexen Projekts war eine echte Herausforderung, was den Umfang und den Zeitplan betrifft – und das größtenteils mitten in der Pandemie. Das gilt für Veridos und unseren Kunden gleichermaßen. Jetzt, da wir die Umsetzung erfolgreich abgeschlossen haben und – dank unseres hochprofessionellen Projektteams – mehr als 14 Millionen ePässe ausgestellt wurden, verbindet uns mit unserem Kunden eine vertrauensvolle und sehr zufriedenstellende Partnerschaft.
Das Projekt läuft weiter und wir hoffen, noch leistungsfähiger und effizienter zu werden. So haben wir beispielsweise bei der buchbinderischen Verarbeitung und Personalisierung am Produktionsstandort eine Ausschussrate von unter einem Prozent erreicht – keine andere uns bekannte Fabrik kann mit solchen Zahlen aufwarten. Das Personal vor Ort wurde von uns geschult und operativ unterstützt und leistet sehr gute Arbeit. Darauf bin ich sehr stolz.
Können Sie einige der spezifischen Herausforderungen des Projekts näher erläutern und beschreiben, wie Sie diese gemeistert haben?
Das ePassport-Projekt unterlag auf Kundenseite der Verantwortung militärischer Mitarbeiter. Für uns ist es ein großer Vorteil, sie als Projektpartner zu haben, da sie sehr professionell und geradlinig arbeiten. Allerdings ist die Personalfluktuation in ihrem System sehr hoch, was zu Unsicherheiten führt und dazu, dass wir das von uns vermittelte Know-how immer wieder neu aufbauen müssen.
Seit Beginn des Projekts im Jahr 2018 gab es fünf verschiedene Generalmajore, drei Brigadegeneräle und viele Oberstleutnants in unterschiedlichen Positionen. Die Beziehungen müssen jedes Mal von Grund auf neu aufgebaut werden und jeder hat natürlich seine eigenen Vorstellungen.
Letztendlich spricht der Erfolg des Projekts für sich. Wir und unsere Technologie genießen großes Vertrauen und das ist es, was zählt.
“Die Leute schätzen es, wenn man ehrlich und offen ist, auch wenn das am Anfang etwas unkonventionell erscheinen mag.“
Vice President Sales Asia & Caribbean bei Veridos
Und wie sieht es mit kulturellen Unterschieden aus, mit denen Sie insbesondere als weibliche Führungskraft konfrontiert sind?
Ehrlich gesagt, mache ich mir darüber nicht allzu viele Gedanken. Natürlich bin ich immer respektvoll, aber ich versuche, ich selbst zu sein und authentisch zu bleiben. Mein Stil ist sehr direkt, was in manchen Kulturen, vor allem hier in Asien, als Frau überraschend sein kann. Aber ob in China, Indonesien oder Bangladesch, ich bin damit immer gut gefahren. Die Leute schätzen es, wenn man ehrlich und offen ist, auch wenn das am Anfang etwas unkonventionell erscheinen mag. Ich denke, das hat mir besonders geholfen, in einem Umfeld zu arbeiten, das von Männern und Armeeangehörigen dominiert wird.
Also ist die Geschlechterfrage für Sie kein Thema?
Nein, ich hatte während meiner gesamten Karriere das Glück, immer nach meinen Leistungen und nicht nach meinem Geschlecht beurteilt zu werden. Ich arbeite direkt mit Angehörigen des Militärs zusammen und bin oft die einzige Frau im Raum. Aber wenn man standhaft, authentisch und direkt ist – auch wenn das manchmal bedeutet, weniger diplomatisch zu sein –, dann respektieren sie das vom ersten Tag an. Mich schreckt nichts. Inzwischen nennen mich alle die „Eiserne Lady“ oder den „General“.
Das ist ein großes Kompliment. Würden Sie das auch anderen weiblichen Führungskräften raten? Nur Mut, seien Sie Sie selbst?
Ich kann nicht für andere sprechen. Ich kenne Berichte von Kollegen aus anderen Regionen, in denen Frauen nicht so ernst genommen werden. Ich selbst habe das zum Glück noch nicht erlebt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man sich Respekt verdient, wenn man von Anfang an den richtigen Ton trifft. Andererseits muss man ihn sich erarbeiten. Wenn man gute Leistung bringt, wird man in der Regel respektiert und dafür belohnt.
Was ist Ihrer Meinung nach Ihre größte Stärke als Führungskraft?
Ich halte meine Fähigkeit, Menschen zur Zusammenarbeit zu motivieren, für meine größte Stärke. Ich kann nicht alles selbst machen und bin nicht auf jedem Gebiet eine Expertin, aber ich weiß, wie ich die richtigen Kolleginnen und Kollegen zusammenbringe und gemeinsam mit dem Kunden Lösungen entwickle. Ich treibe die Dinge voran, bin aber auch Teil des Teams, um sicherzustellen, dass wir unsere Ziele erreichen.
Außerdem bin ich gut darin, Lob auszusprechen, wenn es gerechtfertigt ist. Ich achte darauf, dass die Leistung von jemandem, der sich besonders anstrengt, auch anerkannt wird – ich schmücke mich nicht mit fremden Federn. Mein Team weiß das zu schätzen.
Wie schaffen Sie es, eine so anspruchsvolle Position, die mit vielen Reisen verbunden ist, mit Ihrem Privatleben in Einklang zu bringen?
Zunächst einmal hatten mein Mann und ich das Glück, 20 Jahre lang ein Kindermädchen zu haben, das uns bei der Kinderbetreuung und im Haushalt geholfen hat. So konnte ich mich auf meine Karriere konzentrieren, ohne meine Familie zu vernachlässigen. Außerdem hat mich G+D in den ersten Jahren als junge Mutter sehr unterstützt, als ich zu Hause oder in Teilzeit gearbeitet habe.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Gesundheit. In meinen 27 Jahren bei G+D habe ich noch keinen Tag krankheitsbedingt gefehlt und das gibt mir die Energie und das Selbstvertrauen, die vielen Reisen und Aufgaben zu bewältigen. Ich treibe viel Sport – Tennis, Laufen, Golf, alles, was mich fit hält. Aber natürlich ist es auch hin und wieder schön, sich einen guten Wein oder ein leckeres Bier zu gönnen.
Das klingt nach einem guten Gleichgewicht. Was ist für Sie das Spannendste an Ihrer Arbeit?
Durch meine Tätigkeit habe ich viele tolle und beeindruckende Erfahrungen gemacht. Ich genieße es, durch Asien zu reisen, und lerne gerne neue Kulturen und interessante Menschen kennen, wie unsere Geschäftspartner und Kunden vor Ort. In Bangladesch erleben wir so viele spannende und interessante Dinge, dass man ein ganzes Buch darüber schreiben könnte! Hier kann ich meine Abenteuerlust voll ausleben.
Was würde denn in diesem Buch stehen? Können Sie uns eine Anekdote erzählen?
Dhaka ist eine extrem überfüllte Stadt mit einem enormen Verkehrsaufkommen. Steht man im Stau, hupt fast jeder Fahrer, weil er hofft, dadurch nur einen Meter voranzukommen. Als ich 2016 zum ersten Mal dort war, suchte ich noch nach potenziellen Partnern für unser ePassport-Projekt. Jeder wollte mit uns zusammenarbeiten und gab vor, beste Beziehungen zu unserer Zielgruppe zu haben.
Jede meiner Bewegungen und Aktivitäten wurde beobachtet und mir wurden sogar Chauffeurdienste angeboten, nur um herauszufinden, wen ich als Nächstes treffen würde. Um diese abzuschütteln und schneller durch den Verkehr zu kommen, bin ich eines Tages mit einer Rikscha zu einem der Büros gefahren. Mein Handy war leer, ich hatte keine Karte und der Fahrer sprach kein Englisch. Über zwei Stunden später kam ich schließlich zu dem Termin. Als ich meinen Partnern davon erzählte, waren sie schockiert und meinten, ich solle das aus Sicherheitsgründen nicht tun. Aber ich fand das Ganze einfach lustig und betrachtete es als Abenteuer, da ich mich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt habe.
Zum Schluss noch die Frage: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die Sie im Laufe der Jahre gewonnen haben und die Sie den Spotlight-Leserinnen und -Lesern mit auf den Weg geben möchten?
Nichts ist umsonst – alles ist harte Arbeit. Man braucht Ausdauer und Durchhaltevermögen, auch und gerade wenn es schwierig wird.
Außerdem muss man sich auf seinem Gebiet auskennen und wissen, wovon man spricht. Man darf nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern muss sich in die Details vertiefen. Nur so kann man sich Respekt verschaffen.
Und man sollte sich eine positive Einstellung bewahren. Eine positive Sichtweise ist unbezahlbar.
Key Takeaways
- In den letzten Jahren war Fabiola Bellersheim für einen der größten Aufträge von G+D in Bangladesch verantwortlich.
- Das Erfolgsrezept interkultureller Zusammenarbeit: Authentizität und Mut; Ehrlichkeit und Selbstvertrauen werden überall geschätzt.
- Auf Ausdauer und harte Arbeit kommt es an.
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