Veröffentlicht: 14.11.2023
Der Schlüssel zum Aufbau eines resilienten Cash Cycle
Als überall akzeptiertes Zahlungsmittel und Wertanlage genießt Bargeld weltweit das höchste Vertrauen. Das gilt für den normalen Alltag, vor allem aber für Krisenzeiten. Zentralbanken und Finanzdienstleister stehen daher in der Pflicht, im Cash Cycle zu jeder Zeit für reibungslose Abläufe zu sorgen.
In Zeiten großer ökonomischer Unsicherheit steigt die Nachfrage nach Bargeld. Diese Reaktion von Bürgerinnen und Bürgern ist vorhersehbar und auf der ganzen Welt ähnlich. Das trifft für globale Krisen wie die Covid-19-Pandemie, die Finanzkrise 2008–9 und das Jahr-2000-Problem ebenso zu wie für lokale und regionale Katastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben.1
Es ist eine der Hauptaufgaben der Zentralbanken, auf derartige Situationen vorbereitet zu sein, damit sie dafür sorgen können, dass der Cash Cycle weiterhin reibungslos funktioniert. Die Währungsbehörden sind ebenfalls dafür verantwortlich, alle anderen wichtigen Teilnehmer des weit verzweigten Cash Cycle so zu unterstützen, dass sie ihre jeweiligen Aufgaben zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden und zugänglichen öffentlichen Bargeldsystems erfüllen können.
Die Krisenbewältigung durch die Zentralbanken kann viele verschiedene Formen annehmen, von denen einige ziemlich einfach und andere hochdramatisch sein können.
Als zum Beispiel im Libanon das Vertrauen in das Bankensystem durch zwei aufeinanderfolgende Krisen stark erschüttert wurde, wuchs die Menge an Bargeld im Umlauf binnen vier Jahren um das 14-Fache. Seit Ende 2022 ist das Land eine reine Bargeldgesellschaft. Allein in diesem Jahr stieg das Volumen des libanesischen Pfund im Umlauf um 75 %.2,3
Am anderen Ende des Spektrums steht Österreich. Anfang 2023 empfahl die Österreichische Nationalbank Haushalten, einen Umschlag mit Bargeld in kleinen Scheinen zur Seite zu legen – etwa in der doppelten Höhe eines Wocheneinkaufs (also circa 100 € pro Person). Gedacht ist diese Rücklage als Krisenvorsorge für den Fall, dass die elektronischen Zahlungsmethoden nicht funktionieren. Verwaltungsratsmitglied Eduard Schock erklärte bei der Ankündigung der Initiative Bargeld für alle Fälle: „Bargeld ist das einzige Zahlungsmittel, das immer und überall funktioniert. Man braucht keine technischen Hilfsmittel, um mit Bargeld zu bezahlen ... [Aber] damit das funktioniert, ist eine gewisse Vorsorge ratsam, [denn] im Krisenfall – zum Beispiel bei einem Stromausfall oder einem groß angelegten Hackerangriff – ist es wahrscheinlich zu spät und auch schwer, an Bargeld zu kommen.”4
Mit welchen strukturellen Ansätzen macht man also die Bargeldversorgung so resilient, dass sie in der Lage ist, sich an sich rasch verändernde, schwierige Situationen anzupassen – ganz gleich, ob sie vorhersehbar sind oder nicht? Und welche anderen sich ständig ändernden Faktoren – wie zum Beispiel unterschiedliche Nachfragemuster nach Bargeld, die Kosten des Bargeldmanagements und der gesellschaftliche Druck zu mehr Nachhaltigkeit – spielen eine Rolle, wenn es heute darum geht, die Widerstandsfähigkeit in den Bargeldkreisläufen zu verbessern?
Wege zu einem resilienteren Cash Cycle
Die Grundlagen resilienter Organisationen sind unter Wirtschaftswissenschaftlern und Managementtheoretikern weithin bekannt: Resilienz, Anpassungsfähigkeit und die Gabe, sich schnell von großen Herausforderungen zu erholen. Für die Akteure des Cash Cycle bedeutet das, dass sie die aus dem Englischen abgeleiteten sogenannten vier As des Bargelds im Blick behalten und zuverlässig erfüllen können müssen:
- Zugänglichkeit (englisch: Accessibility): Alle Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssen immer und überall an Bargeld kommen können.
- Authentizität: Bargeld als vertrauenswürdiges und stets einsatzfähiges Medium.
- Verfügbarkeit (englisch: Availability): Bargeld muss stets in den erforderlichen Mengen und Stückelungen vorgehalten werden.
- Akzeptanz: Bargeld ist als universelles Zahlungsmittel anerkannt.
Die geopolitischen und wirtschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Cash Cycle resilienter werden muss. Um dies zu erreichen – intern, branchenweit und auf nationaler Ebene –, müssen Zentralbanken, Geschäftsbanken, Geldtransportunternehmen und andere Akteure im monetären Ökosystem eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen spielen:
Sichtbarkeit: Entscheidend ist, dass Datenarchitekturen eine umfassende Sicht auf den Cash Cycle ermöglichen und so Warnsignale frühzeitig erkannt werden können. Wie immer gilt: Was man nicht messen kann, kann man auch nicht managen. Daher ist es essenziell, dass der Cash Cycle rundum datengestützt ist – dazu gehören Faktoren wie wie oft Geldautomaten an welchen Standorten genutzt werden bis hin zur Höhe des Bargeldvolumens, das in und aus den Tresoren der Banken bewegt wird. Diese Daten müssen stets auf dem neuesten Stand sein, allen relevanten Parteien zur Verfügung stehen und auf bestimmte kritische Schwellenwerte hin überwacht werden. Und um effektiv zu sein, erfordert eine solche Architektur ein hohes Maß an Zusammenarbeit innerhalb des Bargeldsektors.
Die historische Perspektive ist ebenfalls wichtig: Daten, die Aufschluss geben über Verhaltensmuster aus früheren Krisenzeiten – wie etwa die Bargeldverteilung, die Nachfrage nach verschiedenen Banknotenstückelungen oder regionale Unterschiede –, sind von unschätzbarem Wert, um Geschehnisse nachvollziehen und optimale Ansätze zur künftigen Krisenbewältigung entwickeln und festlegen zu können.
Bargeldinfrastruktur: Die Bargeldinfrastruktur muss nicht nur zweckmäßig sein, sondern auch den sich rasch ändernden Anforderungen in Krisenzeiten gerecht werden können. Deswegen müssen Akteure über Geschäftsmodelle und Systeme verfügen, mit denen sie die Funktionsfähigkeit ihrer eigenen Bargeldoperationen sicherstellen und die Widerstandsfähigkeit des gesamten Cash Cycle unterstützen können.
Rollen und Schnittstellen: Die unterschiedlichen Rollen, Methoden der Zusammenarbeit und die Interoperabilität des gesamten Cash Cycle müssen genau definiert und verstanden werden. Dies ist besonders wichtig für Akteure mit Bargeldverarbeitungsbetrieben und -zentren wie auch für jene, die an am Bargeldtransport beteiligt sind.
Risikoanalyse: Analyse und Bewertung der vielen Risiken, die sich während einer Krise negativ auf den Cash Cycle auswirken können, sind die Grundlage für alle Maßnahmen, mit denen die Widerstandsfähigkeit des Cash Cycle unterstützt werden soll. Das hilft, Auswirkungen zu minimieren und eine Störung des gesamten Kreislaufs zu vermeiden. Diese Analysen und Bewertungen müssen jedoch den gesamten Kreislauf umfassen – von der Sicherung von Cash-Centern über die Prüfung von Schwachstellen bis hin zu ausgefeilten Notfallplänen.
Um Bargeldkreisläufe langfristig zu stärken, sollten neben diesen vier Schwerpunkten auch die Wechselwirkungen von Effizienz und Nachhaltigkeit innerhalb der heutigen Cash Cycles berücksichtigt werden.
Das Zusammenspiel von Widerstandsfähigkeit, Kosten und Nachhaltigkeit
Die gute Nachricht für alle, die an Cash Cycles beteiligt sind, ist, dass die öffentliche Nachfrage nach Bargeld in fast allen Ländern der Welt weiter steigt.5 Das bleibt nicht ohne Herausforderungen, aber in der Regel begegnen alle Cash-Cycle-Akteure diesen Herausforderungen mit Innovation.
Die steigenden Kosten des Bargeldmanagements sowie die geringeren Verarbeitungsvolumen in einigen Ländern bedeuten, dass die Akteure ihre Wirtschaftlichkeit an den Schlüsselstellen des Zyklus sorgfältig neu austarieren und gleichzeitig verschiedene Aspekte der Widerstandsfähigkeit des Cash Cycle verbessern müssen.
Die Unternehmensberatung McKinsey6 nennt drei Haupthebel, mit denen Banken ihre Bargeldkosten in den Griff bekommen können: schlankere und effizientere Abläufe durch Automatisierung, das Zusammenlegen von Ressourcen und, wenn nötig, die Verkleinerung ihrer Infrastruktur.
Es gibt einige Beispiele, in denen die Kosten effektiv reduziert werden konnten, ohne die Resilienz zu beeinträchtigen – eines dieser Beispiele ist der Zugang zu Bankautomaten. Da Banken in vielen Ländern die Zahl ihrer Bankautomaten reduziert haben, ist es schwieriger geworden, als Privatperson jederzeit problemlos (und kostenlos) an Bargeld zu gelangen.7 Als Gegenmaßnahme haben zum Beispiel die verschiedenen Banken in Schweden und den Niederlanden ihre Geldautomatennetze zusammengelegt. Zwar stehen in den Städten immer noch weniger Bankautomaten, aber die Standorte sind gleichmäßiger verteilt und die Bürgerinnen und Bürger können leichter – und ohne Gebühren – Bargeld abheben.
Die Kosten von Bargeld sind nur ein Schlüsselelement: Es gibt auch eine Wechselwirkung zwischen Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit.
Den ökologischen Fußabdruck der Bargeldproduktion und -verwaltung zu verkleinern, ist eine der größten Herausforderungen für die Währungsindustrie, da dies alle Stationen des Bargeld-Lebenszyklus betrifft – von der Herstellung von Banknoten aus Bio-Baumwolle und umweltfreundlichen Druckfarben bis hin zur Verwendung standardisierter Trays, mit denen sowohl die Bearbeitungsschritte effizienter durchgeführt werden können als auch das Einwegplastik für Verpackung und Transport von Banknoten verringert und vermieden werden kann. Durch eine derartige Standardisierung entsteht ein grünerer und resilienterer Cash Cycle.
Andere Ansätze, den Cash Cycle resilienter zu gestalten, scheinen hingegen oft im Widerspruch zu vielen Nachhaltigkeitszielen zu stehen. So braucht ein stabiler Cash Cycle eine resiliente technische Infrastruktur mit zahlreichen Redundanzen und Sicherungssystemen, die sicherstellen, dass der Betrieb auch im Fall einer Störung oder einer Krise fortgesetzt werden kann. Daher kann es sein, dass eine Bank ein „Hot-Standby“-Rechenzentrum an einem entlegenen Standort betreibt, einfach damit es bei einer größeren Störung sofort übernehmen kann. Ebenso kann es vorkommen, dass eine Bank, deren Stromversorgung aus erneuerbaren Energien stammt, eine Reihe großer Benzingeneratoren bereithält, um im Notfall gerüstet zu sein.
Treiber für Innovationen
Diese Wechselwirkungen sind jedoch die perfekte Grundlage für Innovationen – sowohl bei der Technologie als auch bei den Prozessen –, die Cash-Cycle-Akteuren neue Möglichkeiten eröffnen.
So lässt sich eine höhere Ausfallsicherheit auch erzielen, indem redundante Sicherheitsstrukturen abgebaut werden, etwa mit Co-Location-Modellen wie bankübergreifenden Cash Centern. Die Bank of Canada zum Beispiel hat für alle Filialen des Landes gemeinsam genutzte Tresore eingeführt. Durch die Verwaltungssoftware Compass Vault Network von G+D kann die Bank die Bestände in diesem Tresor-Netzwerk einfach überwachen und verwalten. So lassen sich Bargeldvorräte intelligenter verteilen, in guten wie in schlechteren Zeiten.
Bei dem Ziel, den Cash Cycle sowohl resilienter als auch nachhaltiger zu machen, setzen viele Banken auf das Outsourcing ihrer Cash Center. Indem sie die Ausgaben für Investitionen in die Bargeldinfrastruktur senken, verkleinern sie ihren ökologischen Fußabdruck. Das Cash Center, ein Schlüsselelement des Cash Cycle, wird zuverlässiger und lässt sich leichter skalieren. Eine Win-win-win-Situation für Bargeldmanagement, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit.
Währenddessen arbeiten viele Banken und Geldtransportunternehmen verstärkt daran, die Bargeldverteilung durch eine immer größere Automatisierung zu verbessern. Der Einsatz fortschrittlicher Routenplanungsalgorithmen optimiert den Transport von Bargeld zwischen Cash Centern, Geldautomaten und Einzelhändlern und schafft so eine effizientere, zuverlässigere und umweltfreundlichere Bargeldlogistik.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass die doppelte Herausforderung Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit die Bildung von starken Partnerschaften in der Branche erfordert. “Die Zusammenarbeit aller Akteure im Cash Cycle wird eine entscheidende Rolle spielen” sagt Gurpal Singh, Head of Portfolio & Technology Management, Currency Management Solutions bei G+D, „da die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch auf verschiedenen Ebenen sowohl für die Widerstandsfähigkeit als auch für die Nachhaltigkeit wichtig sein werden.“
Key Takeaways
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Alle Akteure des Cash Cycle spielen eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung eines funktionierenden öffentlichen Bargeldsystems – auch in Krisenzeiten.
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Wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit, um den Cash Cycle resilienter zu machen, vor allem bei so zentralen Herausforderungen wie der End-to-End-Transparenz, flexible Infrastruktur, Interoperabilität, Risikobewusstsein und Nachhaltigkeit.
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Die Notwendigkeit, den Cash Cycle resilienter und nachhaltiger zu machen, löst eine Welle von Innovationen aus.
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Cash demand in times of crisis, Journal of Payments Strategy & Systems, 2022 (PDF)
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Banque du Liban, cited by BlomInvest Bank, 2023
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Banque du Liban, cited by BlomInvest Bank, 2023
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Bargeld für alle Fälle, Oesterreichische Nationalbank, 2023
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The paradox of banknotes, ECB, 2021
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Attacking the cost of cash, McKinsey & Company, 2018
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Guaranteeing freedom of payment choice, ECB, 2022
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