Schätzungen zufolge hat ein Fünftel der Menschen weltweit keinen direkten Zugang zum Finanzsystem. Und dieses Ausgeschlossensein von finanziellen Dienstleistungen hat weitreichende Folgen: Für viele ist es fast unmöglich, günstige Kredite aufzunehmen, ihr Vermögen sicher aufzubewahren oder Geld zu empfangen und zu senden. Diese gravierenden Einschränkungen können Menschen sowohl in ihrer persönlichen als auch in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entscheidend beeinträchtigen.
CBDC – der Weg zu digitaler und finanzieller Inklusion
Viele Schwellenländer planen die Einführung von digitalem Zentralbankgeld (CBDC, Central Bank Digital Currency). Einer der Hauptgründe dafür ist, der Bevölkerung besseren Zugang zu Finanzdiensten zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, sollten CBDCs allerdings von Anfang an auf Inklusivität ausgelegt sein.
Weltweit gibt es allerdings deutliche Unterschiede: Die meisten der 1,7 Milliarden Menschen ohne Bankkonto leben in Schwellenländern.1 Das Problem betrifft jedoch auch andere Länder: Die US-Notenbank Federal Reserve schätzt etwa, dass fünf Prozent der erwachsenen Amerikaner „unbanked“ sind (also kein Bankkonto haben) und 13 Prozent „underbanked“ sind (also nur einen eingeschränkten Zugang zu Finanzdiensten haben).2 In Rumänien haben sogar 42 Prozent der Menschen kein Bankkonto3, während in Vietnam und auf den Philippinen mehr als zwei Drittel keinen Zugang zu einem Bankkonto haben.4
Häufig sind es Frauen, die stärker von finanzieller Ausgrenzung betroffen sind. Nach Berechnungen der Weltbank ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ein Bankkonto besitzen, um etwa 9 Prozentpunkte geringer als bei Männern. Diese Ungleichheit erweist sich dabei als äußerst langlebig.5
Überwindung der digitalen Kluft
In den letzten Jahren hat sich zunehmend abgezeichnet, dass diese Schere sogar noch größer wird. Mit der Verbreitung digitaler Geschäftsmodelle, des E-Commerce und elektronischer Zahlungsmethoden sind digitale Transaktionen kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. In vielen Bereichen unseres Lebens sind sie bereits unabdingbar – und doch nutzen 37 Prozent der Weltbevölkerung das Internet bisher überhaupt nicht.6 Die wachsende Sorge ist also berechtigt, dass Menschen ohne Bankkonto in der beschleunigten digitalen Transformation von immer mehr Lebensbereichen ausgeschlossen werden, da die heutigen digitalen Zahlungsdienste in der Regel eine Bankverbindung voraussetzen. Dieser fehlende Zugang zu Finanzdienstleistungen führt letztendlich zu zunehmender finanzieller Benachteiligung.
Regierungen weltweit bemühen sich, diese digitale Kluft zu schließen. So prüfen die meisten Zentralbanken aktuell die mögliche Einführung einer digitalen Zentralbankwährung – also digitales Geld, das als gesetzliches Zahlungsmittel genutzt werden kann. Die Mehrheit sieht darin eine einmalige Gelegenheit, die finanzielle Inklusion in der Gesellschaft enorm zu steigern.
Doch nicht nur Personen ohne Bankverbindung würden profitieren. Um digitale Zahlungsangebote zu nutzen, sind derzeit Verträge mit Drittanbietern erforderlich, die gegebenenfalls Gebühren erheben oder personenbezogene Daten verwenden. In der Regel wird eine bestimmte Bonität oder ein bestimmtes Mindestalter vorausgesetzt. Alles Bedingungen, die viele Bürgerinnen und Bürger nicht erfüllen.
Es gibt viele gute Gründe für digitales Zentralbankgeld
Die Motivation für die Einführung einer digitalen Währung ist je nach Zentralbank unterschiedlich und hängt von den individuellen Gegebenheiten des Landes ab. In einer weltweiten Umfrage unter führenden Zentralbanken stellte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2020 fest, dass Schwellenländer nicht nur eine viel stärkere Bereitschaft zeigten, eine CBDC einzuführen, sondern auch, dass die finanzielle Inklusion dabei ihre oberste Priorität sei. In wirtschaftlich starken Ländern, in denen Zahlungsdienstleistungen breit verfügbar sind und viel genutzt werden, liegt der Schwerpunkt eher auf einem sicheren und effizienten Zahlungsverkehr.7
„In vielen Schwellenländern gelten digitale Zentralbankwährungen als eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung der finanziellen Inklusion“, so Tanja Heßdörfer, Director Business Development CBDC bei G+D. Das Unternehmen arbeitet bereits mit einigen Zentralbanken weltweit an der Einführung von CBDCs. „Je nachdem, wie die CBDC-Lösung gestaltet wird, kann sie einem großen Teil der Bevölkerung endlich einen Zugang zu finanziellen und digitalen Dienstleistungen ermöglichen.“
CBDCs sind ein entscheidender Bestandteil der Bemühungen der letzten Jahre, digitale Finanzdienstleistungen der breiten Masse zugänglich zu machen. Denn aufgrund des kommerziellen Charakters waren die bisherigen Finanzdienstleistungen mitnichten allgemein zugänglich oder erschwinglich. Darüber sprach auch der Präsident der Zentralbank von Ghana, die derzeit den eCedi als digitales Pendant zur Landeswährung in Zusammenarbeit mit G+D pilotiert.8
In seiner Rede vor dem Chartered Institute of Bankers im Dezember 2021 sagte Dr. Ernest Addison: „Es besteht kein Zweifel, dass der private Sektor die Innovationen im Hinblick auf die digitalen Finanzlösungen vorangetrieben hat … Aber die Möglichkeiten und Ressourcen des privaten Sektors sind begrenzt und reichen nicht aus, um die Hürden der finanziellen Inklusion zu überwinden. Damit die digitale Wirtschaft wirklich integrativ ist, muss jede berechtigte Person auf irgendeine Weise Zugang zu einem digitalen Zahlungsmittel haben, genau wie zu Bargeld auch.“9
Gleiche Bedingungen schaffen
Laut dem Forschungsprogramm Data2x der UNO besitzen „Frauen weltweit mit geringerer Wahrscheinlichkeit als Männer Bankkonten und Zugang zu Krediten und Darlehen. Die Überbrückung der ,Gender-Gap‘ würde die finanzielle Inklusion fördern und somit das Wirtschaftswachstum und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit verbessern, geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringern, Frauen unabhängiger machen und positiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.“10
Heßdörfer merkt an: „Eine CBDC, die wirklich inklusiv gestaltet ist, könnte allen Bürgerinnen und Bürgern eines Landes gleichermaßen einen Zugang zu digitalen Zahlungen und Finanzdiensten bieten. Sie könnte ihnen dabei helfen, eine digitale Identität und einen digitalen Fußabdruck aufzubauen. Angesichts der Tatsache, dass Frauen heute weniger Zugang zu solchen Diensten haben, werden sie in größerem Maße davon profitieren.“
Finanzielle Inklusion fördert Wirtschaftswachstum
CBDCs könnten sich sehr positiv auf den wirtschaftlichen Einfluss von Frauen auswirken. „Mit einem Zugang zu Finanzdienstleistungen können Frauen sich eine eigene finanzielle Identität aufbauen, ihr Vermögen effektiv vermehren und sich selbst, ihre Familien und ihre Gemeinden aus der Armut befreien, insbesondere in Schwellenländern“, so Erica Salinas, Global Program Manager for Digital Assets bei Amazon Web Services, dem Cloud-Infrastrukturunternehmen. „Das wirtschaftliche Empowerment von Frauen hat viele positive Effekte, wie beispielsweise eine höhere nationale Produktivität, wirtschaftliche Diversifizierung und Einkommensgleichheit. Eine CBDC, die auf Inklusion ausgelegt ist, hat das Potenzial, all dies zu unterstützen.“
Sie erläutert weiter anhand eines Beispiels: „Viele Frauen, die in Schwellenländern zu dem Bevölkerungsteil ohne Bankkonto gehören, sind Kleinstunternehmerinnen. Sie betreiben beispielsweise Dorfläden oder sind als Näherinnen oder als qualifizierte Fernarbeiterinnen tätig, die Auftragsarbeiten für Unternehmen auf der ganzen Welt ausführen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass sie Finanzdienste nicht nur für ihren privaten Alltag benötigen, sondern auch dafür, ihr Geschäft auszubauen und zu finanzieren und in der Wirtschaft Fuß fassen zu können. Nur wenn sie einen Zugang zu Dienstleistungen haben, können sie relevante Geschäftsgüter erwerben, ihr Unternehmen vergrößern und Zahlungen empfangen. Und nur dann sind diese Frauen in der Lage, finanzielle Rücklagen zu bilden und sich und ihre Familien aus der Armut zu befreien.“ Dafür ist ein digitaler finanzieller „Fußabdruck“ nötig, den digitales Zentralbankgeld ermöglicht. Darüber hinaus hilft auch die Verwendung alternativer Risikobewertungsmethoden.
Die Gestaltung einer inklusiven CBDC
„Digitale Zentralbankwährungen sind kein Patentrezept für finanzielle Inklusion. Aber sie könnten den Weg für kostengünstige Lösungen ebnen und so die finanzielle Teilhabe fördern“, sagt Salinas von AWS. Der Erfolg wird sehr stark davon abhängen, wie gut digitale Geldbörsen und andere Apps, die Finanzdienste anbieten, sind. Zudem kommt es auf damit einhergehende Kampagnen zur digitalen und finanziellen Bildung an, erläutert sie.
Auch die traditionellen Wege zu Finanzdiensten müssten neu überdacht werden, sagt Heßdörfer: „Es sollte nicht vorausgesetzt werden, dass Nutzerinnen und Nutzer einer digitalen Zentralbankwährung ein Smartphone besitzen, technisch versiert sind oder über Finanzkenntnisse verfügen. Genauso wenig kann man davon ausgehen, dass Händler hochwertige Point-of-Sales-Terminals oder gar eine Internetverbindung haben. Eine wirklich inklusive CBDC muss benutzerfreundlich und intuitiv sein. Zudem sollten Transaktionen günstig oder sogar kostenlos sein. Die digitale Währung muss kostengünstig (z. B. Armbänder oder Smartcards) zur Verfügung gestellt werden und auch Offline-Zahlungen ermöglichen.“ Dies sind viele der grundlegenden Merkmale, auf deren Basis G+D seine Lösung Filia® entwickelt hat.
Digitales Bargeld für alle, überall und jederzeit
Zahlreiche dieser Merkmale werden im Rahmen des CBDC-Pilotprojekts der Zentralbank von Ghana umgesetzt. „Die Zentralbank von Ghana hat von Anfang an größten Wert auf Kriterien gelegt, die in hohem Maß integrativ sind, um die finanzielle Inklusion im ganzen Land zu fördern. Die Nutzung ihrer digitalen Währung setzt weder ein teures Gerät voraus, noch erfordert sie ein Bankkonto oder einen Vertrag“, so Heßdörfer. Darüber hinaus ermöglicht sie Offline-Zahlungen.
Immer mehr Zentralbanken gehen diesen Weg und untersuchen, wie eine CBDC gestaltet sein sollte, um wirklich inklusiv zu sein und um alle Teile der Gesellschaft einzubeziehen. Erst kürzlich veranstaltete die Monetary Authority of Singapore eine globale CBDC-Challenge.11 Die Filia®-Lösung von G+D konnte sich als einer von drei Gewinnern gegen 300 Einreichungen durchsetzen und wurde als ein universell einsetzbares und wirklich inklusives Zahlungsmittel ausgezeichnet, das eine Teilnahme an der digitalen Wirtschaft auch ohne Smartphone oder Bankkonto ermöglicht.
Die Zentralbank von Brasilien hat bei der Gestaltung einer CBDC ebenfalls Wert auf Zugänglichkeit und Integration gelegt. Bei der „Lift Challenge Real Digital“ hat G+D einen Vorschlag für eine duale Offline-Payment-Lösung eingereicht, die ohne Stromversorgung und sogar ohne Netz- bzw. Internetverbindung – oder Bankkonto – genutzt werden kann.12
Eines wird dadurch deutlich: Es herrscht Einigkeit darüber, dass CBDCs das Potenzial haben, die digitale Kluft zu schließen und allen einen Zugang zu digitalen Finanzdiensten zu ermöglichen. Und davon würden besonders Frauen profitieren. CBDC-Lösungen bieten viele überzeugende Vorteile und können diese großen Herausforderungen meistern – und würden so Milliarden Menschen einen Zugang zum Finanzsystem ermöglichen.
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Report on the Economic Well-Being of U.S. Households in 2020, Federal Reserve, 2021
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The Countries Most Reliant on Cash in 2021, Merchant Machine, 2021
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World Bank data2x: Global Financial Inclusion Survey (Global Findex), Data2x, 2019
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Measuring digital development, Facts and figures 2021, ITUPublications, 2021
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FULL TEXT: BoG Governor's address at CIB Annual Bankers Dinner, GhanaWeb, 2021
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MAS Announces Winners of the Global CBDC Challenge, Monetory Authority of Singapore, 2021
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G+D Filia® Digital Cash for Everyone, Anywhere, Anytime, YouTube, 2022
Veröffentlicht: 24.03.2022
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