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Identitätsmanagement neu definiert: drei KI-Trends

Trends
7 Min.

Spätestens seit im vergangenen Jahr nahezu jede und jeder mal mit generativer künstlicher Intelligenz wie ChatGPT experimentiert hat, sind sich Bevölkerung und Wirtschaft des enormen Potenzials der künstlichen Intelligenz (KI) bewusst. KI-Anwendungen wie Deep Learning, maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung und Computer Vision werden jedoch bereits in vielen Unternehmen und Behörden eingesetzt.

Von vielen unbemerkt, hat sich künstliche Intelligenz (KI) in den letzten zehn Jahren zu einem wichtigen Faktor im Identitätsmanagement entwickelt. So wurden etwa maschinelle Lerntechniken, die neuronale Netze nutzen, angewandt, um die Leistung biometrischer Authentifizierungen in Echtzeit zu verbessern und gefälschte Dokumente zu erkennen.

Sie kommen bei der ID-Erfassung zum Einsatz, wo sie manuelle Fehler oder doppelte Einträge in Datenbanken aufspüren. 
KI-Technologien helfen auch, die Produktqualität von Ausweisdokumenten wie Reisepässen und den über 50 Sicherheitsmerkmalen, die sie enthalten können, zu gewährleisten. Das Ergebnis sind schnellere, effizientere und sicherere Identitätslösungen für Behörden und eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit für Bürgerinnen und Bürger.

„Das ist jedoch erst der Anfang für diese revolutionäre Technologie“, sagt Letizia Bordoli, AI Lead und Senior AI-Product Manager bei Veridos. „KI eröffnet weitreichende Möglichkeiten für das Identitätsmanagement und bietet viele Vorteile, um die Effizienz zu steigern, Prozesse zu sichern und die Privatsphäre und den Komfort für die Nutzerinnen und Nutzer zu verbessern. KI kann aber auch eine Menge Herausforderungen und Gefahren mit sich bringen, wenn sie für böswillige Zwecke eingesetzt wird.“

Angesichts der zahlreichen Anwendungsbereiche von KI im Identitätsmanagement möchte Bordoli drei wichtige, sich teilweise überschneidende Trends hervorheben, die in naher Zukunft große Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und den Einzelnen oder die Einzelne haben werden: 

  • Synthetische Daten
  • KI zum Schutz der Privatsphäre
  • Multimodale KI

Trend 1: Synthetische Daten – Authentifizierung verbessern, Fälschungen aufdecken

„Ein KI-Modell kann nur so gut sein wie die Daten, mit denen es trainiert wird“, sagt Bordoli. Manchmal ist es aber weder möglich noch ethisch vertretbar, genügend qualitativ hochwertige Daten zu sammeln. Wie gut, dass die KI in Form der generativen KI selbst in der Lage ist, synthetische Daten zu erzeugen. Mit ihnen lassen sich Modelle trainieren, auch solche, die bei der biometrischen Identifizierung zum Einsatz kommen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Gesichtserkennung. Generative KI ist in der Lage, aus einem einzigen Bild – und im Einverständnis mit der entsprechenden Person – sehr realistische Bilder des Gesichts dieser Person in verschiedenen Szenarien zu erstellen: aus unterschiedlichen Winkeln, bei ungünstigen Lichtverhältnissen, mit Brille und weiteren Accessoires, mit unterschiedlicher Gesichtsbehaarung oder anderen Merkmalen. Diese Fülle an Daten hilft beispielsweise bei Grenzkontrollen, die Identität einer Person zu überprüfen, auch wenn sie optisch von ihrem ursprünglichen Passbild abweicht. „Je mehr unterschiedliche Szenarien das System im Anwendungsfall sieht, desto stabiler wird es in der Praxis sein“, sagt Bordoli.

Dieser „Einer aus vielen“-Ansatz lässt sich auch auf die Betrugserkennung anwenden. Ausgehend von einem einzelnen Betrugsfall, können simulierte, noch nicht begangene Betrugsfälle in ein Datenmodell einfließen. Darauf aufbauend, generiert das Modell weitere Szenarien und wird so immer stabiler.

Psychedelic illustration showing the view from a busy airport lounge, with an airplane taking off against the backdrop of the sun

Synthetische Identitäten erstellen, um Bilder zu anonymisieren und die Privatsphäre zu schützen

Mithilfe von KI können in Echtzeit identifizierbare Merkmale von Personen aus Bildern und Videostreams entfernt werden. Ein Beispiel: Zur Überwachung eines Flughafens wird ein Modell darauf trainiert, zu erkennen, ob jemand eine Tasche unbeaufsichtigt stehen gelassen hat. Um die Privatsphäre aller Personen auf den CCTV-Bildern des Trainingsdatensatzes zu schützen, kann KI eingesetzt werden, um die Gesichter der beobachteten Personen in Gesichter von Menschen zu verwandeln, die gar nicht existieren. Auf diese Weise bleibt die Privatsphäre des oder der Einzelnen gewahrt, während die Qualität der Daten erhalten bleibt – und so ein stabileres Trainingsmodell entsteht.

Umgang mit KI-generiertem Betrug

Mit generativer KI können Betrügerinnen und Betrüger gefälschte, aber überzeugende Bilder, Videos (sogenannte Deep Fakes) und (Sprach-)Nachrichten erstellen, die auf Originalmaterial basieren.

„Betrüger setzen generative KI wahrscheinlich genauso schnell ein wie Unternehmen“, sagt Bordoli. „Im vergangenen Jahr gab es viele Inhalte, die authentisch aussahen und auch so klangen.“ Sie nennt ein Beispiel: Jemand könnte eine Sprachnachricht von einem Freund, Kollegen oder Verwandten erhalten, der genauso klingt wie dieser selbst und aufgrund einer angeblichen Notsituation um die sofortige Überweisung eines Geldbetrags bittet.

Eine solche Täuschung betrifft nicht nur Privatpersonen. Viele Unternehmen haben Geschäftsprozesse entwickelt, die auf Sprach- oder Gesichtserkennung basieren, beispielsweise Banken, die ihren Kundinnen und Kunden die Kontoeröffnung per Handy ermöglichen. Auf staatlicher Ebene können solche Aktivitäten die nationale Sicherheit gefährden, etwa wenn die Regierung eines Landes in einem gefälschten Video den Ausnahmezustand ausruft.

So verfügt beispielsweise das VeriCHECK SelfKiosk-System von Veridos, das bei der Grenzkontrolle eingesetzt wird, über eine „Presentation Attack Detection (PAD)“-Funktion. Damit lässt sich feststellen, ob die biometrischen Daten eines Reisenden echt sind oder ob er versucht, das System zu täuschen, indem er am Checkpoint eine Maske aufsetzt oder ein Foto vorlegt.

“KI eröffnet weitreichende Möglichkeiten für das Identitätsmanagement und bietet viele Vorteile, um die Effizienz zu steigern, Prozesse zu sichern und die Privatsphäre und den Komfort für die Nutzerinnen und Nutzer zu verbessern.“
Letizia Bordoli
AI Lead, Senior AI Product Manager, Veridos

Trend 2: KI zum Schutz der Privatsphäre

KI ohne Daten funktioniert nicht. In Zukunft werden Unternehmen und Organisationen aller Art Zugang zu ausreichend großen Mengen qualitativ hochwertiger Daten benötigen, um sicherzustellen, dass den KI-Systemen vertraut werden kann. Insbesondere dann, wenn sie auf Live-Daten zurückgreifen, um Muster zu erkennen, Vorhersagen zu treffen oder Entscheidungen zu fällen.

Die Fokussierung auf Daten zur Schaffung einer solchen verantwortungsvollen KI ist aber nur ein Baustein. Ebenso muss es ein klares Verständnis dafür geben, wie sich ihre Algorithmen in der Praxis verhalten werden, bevor die Daten eingesetzt werden.

Es gibt bereits viele gut dokumentierte Fälle, in denen sich KI-Algorithmen äußerst negativ gegenüber verschiedenen ethnischen Gruppen und Geschlechtern verhalten haben. Zudem gibt es zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die sich an unethischen Datenerhebungen beteiligen, bei denen die oder der Einzelne nicht in vollem Umfang weiß, wofür seine oder ihre Daten möglicherweise verwendet werden (z. B. bei der Registrierung auf einer Website).

Zu den wichtigsten Reaktionen auf diese Bedenken zählt das KI-Gesetz der Europäischen Union. Darin werden die Regulierung der künstlichen Intelligenz und die Schaffung eines Rechtsrahmens vorgeschlagen, in dem KI-Systeme nach ihrem Risikoniveau eingestuft werden. Das Gesetz, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, schreibt verschiedene Anforderungen für die Entwicklung und den Einsatz von KI vor, darunter das Verbot bestimmter Anwendungen wie die Überwachung oder das soziale Scoring von Menschen.

„Bei dem Gesetz geht es darum, eine vertrauenswürdige KI zu schaffen“, sagt Bordoli. „Die Verschärfung der Vorschriften hat den großen Vorteil, dass KI-Systeme dadurch an Vertrauen gewinnen.“ Und die EU ist mit ihrer Auffassung nicht allein: Auch Kanada und Großbritannien erarbeiten derzeit Regelwerke für den KI-Einsatz.

Als führender Anbieter von Identitätslösungen legt Veridos großen Wert auf eine vertrauenswürdige KI und arbeitet in diesem Bereich intensiv mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie zusammen. „Vertrauenswürdige KI ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen sicherstellen, dass unsere KI-Systeme gerecht und transparent agieren und die persönliche Selbstbestimmung der Menschen respektieren“, so Bordoli.

Um Voreingenommenheit zu vermeiden, investiert Veridos in das kontinuierliche Training seiner KI-Modelle und in die Diversifizierung der Trainingsdaten. Darüber hinaus setzt Veridos strenge Testmethoden ein, um tief verwurzelte Vorurteile zu erkennen und zu vermeiden, bevor ein System in Betrieb genommen wird.

Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen mit der renommierten Universität Erlangen-Nürnberg zusammen. Ziel ist es, modernste Methoden für vertrauenswürdige KI zu erforschen und eine ganzheitliche Implementierung über den gesamten Lebenszyklus von KI zu entwickeln. Dazu wurden mehr als 40 quantitative und qualitative Kriterien ermittelt, anhand derer sich die Vertrauenswürdigkeit von KI-Systemen bewerten lässt.

Die datenschutzfreundlichen KI-Lösungen von Veridos sind so konzipiert, dass sie sowohl die Nutzerdaten schützen als auch die Datenhoheit gewährleisten. Eine Schlüsseltechnologie ist dabei das föderale Lernen. Ein innovativer Ansatz für maschinelles Lernen, bei dem ein Algorithmus auf mehreren dezentralen Geräten oder Servern trainiert werden kann, die jeweils über einen eigenen Datensatz verfügen, ohne dass die Daten selbst ausgetauscht werden. Durch föderales Lernen wird sichergestellt, dass die Daten an dem Ort verbleiben, an dem sie ursprünglich gespeichert wurden, wodurch die Datenhoheit gewahrt und das Risiko von Datenschutzverletzungen minimiert wird.

Mit einem föderalen Lernsystem könnte beispielsweise ein Gesundheitsdienstleister Patientendaten zur Verfügung stellen, um ein neues KI-gestütztes Gerät zur Krebsdiagnose zu trainieren – und gleichzeitig den vollständigen Datenschutz für diese Patientendaten sicherstellen.

Eine Illustration einer jungen Frau mit Koffer in einer Abflughalle, die ein Reisedokument hochhält

Trend 3: Multimodale KI: Identitätsprüfung durch Verknüpfungen

Multimodale KI verspricht große Vorteile bei der Verbesserung der Identitätsprüfung. Bisher sind KI-Modelle in der Regel auf eine einzige Funktion beschränkt – ein Modell versteht nur Bilder, ein anderes nur Text und so weiter. Heutige Verfahren zur Identitätsprüfung basieren in der Regel auf einem einzigen biometrischen Merkmal wie dem Gesicht, der Iris oder dem Fingerabdruck. Zukünftig könnten jedoch verschiedene Datentypen gleichzeitig von einem einzigen Modell verarbeitet werden. So ließen sich beispielsweise das Foto und die Stimme einer Person kombinieren und analysieren, sobald sie die Grenzkontrolle passiert.

„Multimodale KI entspricht in vielerlei Hinsicht der manuellen Kontrolle eines Reisepasses durch eine Einreisebeamtin oder einen Einreisebeamten“, sagt Bordoli. „Auch sie betrachten eine Kombination von Daten, wie das Foto, das Geburtsdatum, das Geschlecht, die Größe, und gleichen diese Informationen mit der Person ab, die vor ihnen steht.“

Durch den Einsatz multimodaler KI, so Bordoli, könnte man Identitätsbetrügerinnen und -betrügern das Leben sehr viel schwerer machen, da sich durch die Analyse von Bildern, Audiodaten und Text Anomalien in viel größerem Umfang erkennen lassen als mit nur einer Komponente.

Von einer flächendeckenden Anwendung der multimodalen KI sei man zwar noch einige Jahre entfernt, betont sie. Dennoch unterstreiche die stetige Forschung und Entwicklung, dass der Einsatz von KI im Identitätsmanagement und in der Identitätssicherung immer mehr an Fahrt gewinne.

Key Takeaways

  1. KI bietet weitreichende Anwendungen für das Identitätsmanagement, die zu mehr Effizienz, Datenschutz, Benutzerfreundlichkeit und vielem mehr beitragen können.
  2. Während viele Unternehmen untersuchen, wie sie KI nutzen können, müssen sie gleichzeitig Wege finden, die Systeme zu trainieren, ohne die Privatsphäre einzelner Nutzerinnen und Nutzer oder geschützte Daten zu gefährden.
  3. Verschiedene Arten von KI können kombiniert werden, um die Fähigkeiten in Bereichen wie der Identitätsprüfung zu verbessern.
  1. Artificial Intelligence Act (Proposal), European Commission, 2021

Veröffentlicht: 08.02.2024

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