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#Digital Currency Ecosystem

Die Zukunft der öffentlichen Währung. Eine Einschätzung.

Feature
11 Min.

Bargeld, ganz gleich ob als Münzen und Scheine oder digital, erfüllt in unserer Gesellschaft viele wichtige Aufgaben: Man bezahlt damit und bewahrt es als Wert auf. In Krisenzeiten kann Bargeld zur Deeskalation beitragen und ermöglicht benachteiligten Gruppen, an der Wirtschaft teilzuhaben. Als CEO für Währungstechnologie bei G+D hat Wolfram Seidemann die Zukunft des Bargelds genau im Blick. Wir haben mit ihm über die wichtige – und manchmal auch überraschende – Dynamik von Bargeld gesprochen. 

Bargeld steht gerade im Licht der Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Durch immer stärkere Nutzung digitaler Zahlungsmethoden stellt sich zunehmend die Frage, welche Rolle Bargeld in Zukunft spielen soll – und dass, obwohl in fast allen Ländern die Nachfrage nach Bargeld stark gestiegen ist. Gleichzeitig haben die zahlreichen Herausforderungen und Krisen der letzten Jahre – von der Pandemie bis hin zu geopolitischen Umwälzungen und Naturkatastrophen – die grundlegende Bedeutung von Bargeld für Privatpersonen und Staaten unterstrichen. 

Vor diesem komplexen und faszinierenden Hintergrund haben wir mit Wolfram Seidemann, CEO für Currency Technology bei G+D, über die Zukunft des Bargelds gesprochen: Wie entwickelt sich Bargeld weiter? Sollte es ein gesetzliches Recht auf Barzahlung geben, und warum hat die Generation Z ihre Begeisterung fürs Bargeld neu entdeckt? Und wie könnte das Timing für die Einführung von CBDC (Central Bank Digital Currency) aussehen? 

Eine Person zählt Geld

Der bleibende Wert von Bargeld

Wie würden Sie den heutigen Stellenwert von Bargeld für die Gesellschaft beschreiben?

Bargeld spielt weiterhin eine entscheidende Rolle. Es ist inklusiv. Es ist schnell. Es ist privat. Es ist endgültig, bei der Abwicklung von Transaktionen. Jeder weiß, wie Bargeld funktioniert.

Stellen Sie sich vor, Sie sammeln in einer Gruppe Beiträge für das Geburtstagsgeschenk eines Kollegen. Wenn Sie dies digital tun, müssen alle das Format und den Kanal kennen, und mit dessen Nutzung einverstanden sein. Bei Bargeld gibt es diese Überlegungen gar nicht. Dieses Zahlungsmittel kennen alle.

Es gibt noch einen weiteren entscheidenden Punkt: Als öffentliches Zahlungsmittel wird Bargeld von der Zentralbank ausgegeben – die stets im öffentlichen Interesse agiert und nicht profitorientiert handelt. Für die Nutzung von Bargeld fallen keine Gebühren an, und es müssen keine Daten preisgegeben werden. Dies gilt auch für gut konzipierte digitale Zentralbankwährungen (CBDCs), als ein Äquivalent zu Bargeld.

Die digitale Weiterentwicklung von Bargeld

Die digitalen Kanäle haben offensichtlich großen Einfluss darauf, wie Bargeld in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wird die Bedeutung von Bargeld in einer zunehmend digitalisierten Welt in Frage gestellt?

Digitale Lösungen sind bequem, daher nutzen mehr und mehr Menschen beim Einkaufen entsprechende Zahlungsmethoden. Trotzdem ist immer mehr Bargeld im Umlauf. Bargeld ist physisch vorhanden, anfassbar. Das macht es für Nutzerinnen und Nutzer zu einem einzigartigen Angebot. Für viele ist es auch ein optimales Mittel für die Haushaltsplanung. Angesichts des Konjunkturabschwungs in einigen Ländern gehen die Menschen vorsichtiger mit ihren Ausgaben um und verwenden zum Einkaufen wieder Bargeld. Schauen Sie sich den neuen TikTok-Trend „Cash Stuffing“ an: Junge Menschen füllen Umschläge mit Geldscheinen und behalten so in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihre Ausgaben besser im Blick.1

Die Lösungen für den digitalen Zahlungsverkehr wurden nicht so sehr durch die Nachfrage, sondern durch das Angebot vorangetrieben, wobei jede ihren eigenen Anwendungsfall hat. Das Ergebnis war das Wachstum (und die Zersplitterung) der digitalen Zahlungsmethoden. Diese Dynamik wurde auch durch die Pandemie verstärkt, als öfters kontaktlose Zahlungen genutzt wurden.

Bargeld bedeutet für viele unabhängig und selbstbestimmt zu agieren, während bargeldloses Bezahlen als schnell und bequem empfunden wird. CBDC kann beides erfüllen.

“Wenn Bargeld verfügbar ist, wirkt es deeskalierend in einer Krise. Wenn es nicht verfügbar ist, eskaliert die Krise dagegen.“
Wolfram Seidemann
CEO Currency Technology, G+D

Sicherung der Bargeldversorgung

Warum ist es so wichtig für die Gesellschaft, dass Bürgerinnen und Bürger schnell und einfach an Bargeld kommen können? 

In einigen Ländern sind die Barabbuchungen an Geldautomaten sogar wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Aber Zugang und Verfügbarkeit von Bargeld sind nicht immer optimal. Dies haben Zentralbanken aktuell verstärkt im Blick. Sie überwachen deshalb die Verfügbarkeit und den Zugang zu Bargeld, um sicherzustellen, dass die Menschen, die Bargeld benutzen wollen, es auch tatsächlich nutzen können.

Fällt die Verwendung von Bargeld unter eine kritische Schwelle, wird es schwierig, einen effizienten Bargeldkreislauf aufrechtzuerhalten. Das war zum Beispiel in Schweden der Fall, wo die Regierung eingeschritten ist und die Geschäftsbanken verpflichtet hat, Bargeld auszugeben. Außerdem wurde die Öffentlichkeit aufgefordert, für Krisensituationen etwas Bargeld beiseitezulegen, falls die digitalen Zahlungssysteme abgeschaltet werden.

Solch ein Fall zeigt, dass Länder aufpassen müssen, nicht ungewollt in Situationen zu geraten, in denen der Bargeldkreislauf unterbrochen wird. Die Zentralbanken wissen, wann sie gegebenenfalls eingreifen müssen, um den Bargeldkreislauf zu schützen.

Das heißt, wenn Bürgerinnen und Bürger aus irgendwelchen Gründen kein Bargeld bekommen, gibt es ein Problem. 

Absolut. Bargeld muss komplett liquide sein – das bedeutet, dass alle Bargeldanforderungen erfüllt werden müssen. Wenn Bargeld verfügbar ist, wirkt es deeskalierend auf eine Krise. Wenn es nicht verfügbar ist, eskaliert die Krise dagegen. Das ist das wichtigste Kriterium für einen widerstandsfähigen Bargeldkreislauf: Die Nachfrage muss gedeckt werden können, auch in herausfordernden Umständen.

Portrait von G+D CEO Currency Technology, Wolfram Seidemann
Wolfram Seidemann, CEO Currency Technology, G+D

Die 5 Grundvorteile von Bargeld

Sollten die Grundeigenschaften des Bargelds – Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Akzeptanz – gesetzlich verankert werden, so dass das Recht auf Barzahlung (zumindest für bestimmte wesentliche Güter und Dienstleistungen) geschützt ist?

Ich persönlich möchte meine Zahlungsmethode frei wählen, um so zu zahlen, wie es in einer bestimmten Situation am besten passt. Wir müssen jedoch an alle Mitglieder unserer Gesellschaft denken, vor allem an die wirtschaftlich schwächeren. Private Zahlungssysteme werden mit Gewinnabsichten betrieben – was natürlich völlig legitim ist. Deshalb adressieren sie nicht unbedingt die Bedürfnisse aller Gesellschaftsschichten. Hier können die Zentralbanken also eingreifen und sicherstellen, dass niemand vom Finanzsystem ausgeschlossen wird. Dafür sorgen die „drei Grundlagen des Bargelds“: Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Akzeptanz.

Ich würde sogar vorschlagen, dass es noch zwei weitere geben sollte. Nummer vier wäre Echtheit: Wir müssen sicherstellen, dass der Bargeldkreislauf intakt bleibt, also dass die Banknoten auf ihre Echtheit geprüft werden. Wenn wir das nicht tun würden und Menschen befürchten müssten, dass sie gefälschte Banknoten erhalten, besteht die Gefahr, dass sie kein ausreichendes Vertrauen mehr in Bargeld haben. 

Die fünfte Grundlage wäre Zuneigung. Hier geht es darum, wie Bargeld wahrgenommen und positioniert wird: Der jungen Generationen müssen wir deshalb die wichtige Rolle, die Bargeld in ihrem Leben spielen kann, näherbringen. Junge Menschen nutzen Bargeld mehr, wenn sie wissen, welche Vorteile es hat. Wenn wir dafür Bewusstsein schaffen, wird auch die nächste Generation Bargeld nutzen wollen.

“Bargeld entspricht eigentlich genau den Werten der Generation Z. Wenn die jungen Leute dies ebenfalls so sehen, werden sie ebenfalls bar bezahlen. Es ist also sehr wichtig, dass wir dieses fantastische Zahlungsmittel auch für die nächsten Generationen erhalten.“
Wolfram Seidemann
CEO Currency Technology, G+D

Neue Generation, neue Haltung?

Wie wird sich die Nachfrage nach Bargeld entwickeln, wenn jüngere Generationen – besonders die Generation Z – in die Wirtschaft eintreten? 

In den sozialen Medien geht gerade ein schöner Beitrag viral: Er erzählt, dass, wenn man im Lebensmittelgeschäft mit einem 50-Euro-Schein bezahlt, die Ladenbesitzer 50 Euro erhalten. Damit können sie ihrem Großhändler 50 Euro bezahlen etc. Es sind immer 50 Euro.

Wenn Sie jedoch mit digitalen Zahlungssystemen bezahlen, kann es sein, dass der erste Händler eine Gebühr von zwei Prozent einbehält und sein Großhändler weitere zwei Prozent und so weiter. Je weiter diese Zahlung zirkuliert, desto geringer wird ihr Wert. Das ist nur ein Beispiel für den Wert, den Bargeld bringen kann. Ich denke, es ist Zeit, diese Werte sichtbar und verständlich zu machen. Ich bin für die Vermarktung von Bargeld. Aber das kann schwer umzusetzen sein, weil das Produkt „Bargeld“ Allgemeingut ist.

Wir müssen die neue Zielgruppe der Generation Z in einer Sprache ansprechen, die sie versteht, denn für sie ist Bargeld oft eine Sache der älteren Generationen.

So könnten wir der Generation Z beispielsweise sagen: "Wenn du die Kontrolle über dein Budget behalten möchtest, bezahle bar", oder: "Wenn du nur das ausgeben willst, was du hast, bezahle bar", oder: „Wenn du auch bei einem Stromausfall oder wenn du offline bist, in der Lage sein möchtest, zu bezahlen, zahle bar." Es gibt eine Menge einfacher, verständlicher Botschaften, wir müssen es nur klar formulieren. 

Bargeld entspricht eigentlich genau den Werten der Generation Z – in Bereichen wie Inklusivität, Nachhaltigkeit und Privatsphäre. Wenn die jungen Leute dies ebenfalls so sehen, werden sie ebenfalls bar bezahlen. Es ist also sehr wichtig, dass wir dieses fantastische Produkt auch für die nächsten Generationen erhalten.

Eine Person benutzt ein Smartphone

Die ergänzende Rolle von CBDCs

Auch wenn man davon ausgeht, dass es physisches Bargeld noch sehr lange geben wird:  Wird dieser Generationswechsel das Argument für eine digitale Version von Bargeld, eine CBDC, stärken? 

Die Welt ist in vielen Bereichen digital geworden. Die Zentralbanken beschäftigen sich mit CBDC, um sicherzustellen, dass wir künftig ein inklusives und universell anwendbares digitales System haben. Ungeachtet der Geschwindigkeit, mit dem sich digitale Entwicklungen vollziehen, wollen die Zentralbanken die Sache jedoch gewissenhaft angehen. Das spiegelt sich auch in den vielen Zeitplänen für CBDC-Einführungen wider. 

Das Tempo und die Entscheidungsprozesse für große Währungen wie den Euro werden von einem demokratischen Wertekanon bestimmt, was die damit verbundene Infrastruktur, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Ökosysteme komplex macht. Nichtsdestotrotz hat die Europäische Zentralbank das Projekt des digitalen Euro im Oktober 2023 von der Sondierungsphase in die Vorbereitungsphase überführt.

Andere Länder werden  vermutlich schneller eine CBDC einführen und herausgeben. Das gilt vor allem für Länder, in denen ein hoher Bedarf an größerer finanzieller oder digitaler Inklusion besteht. Viele davon wollen Alternativen zu bestehenden Zahlungsmonopolen schaffen, die hohe Gebühren erheben. Hier wird auch nach Lösungen gesucht, die Zahlungen über internationale Grenzen hinweg einfacher und günstiger machen. 

In Ländern mit einer ausgereifteren Infrastruktur werden viele dieser Bedürfnisse nach digitalen Alternativen zum Bargeld bereits erfüllt – wenn auch durch verschiedene Ansätze. Das macht es schwerer, einen richtig guten Anwendungsfall aufzubereiten, um die Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen zu überzeugen, die CBDC bringen. Aber wenn man alles zusammenzählt, stellt man fest, dass kein bestehendes Instrument wirklich alles bedienen kann. 

Die CBDC-Lösung von Filia®, die wir bei G+D implementiert haben, bietet mehr als 24 verschiedene Anwendungsfälle – von QR-Code-Zahlungen bis hin zu Zahlungen von Person zu Person, offline/online, Nutzer-zu-Handel über Applets und über verschiedene Kanäle. 

Wenn wir ein CBDC als Innovationsplattform konzipieren, die von Marktakteuren zur Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen genutzt werden kann, dann werden es viele nutzen.

Wir sind überzeugt, dass CBDC nicht in Konkurrenz zu den derzeitigen Systemen steht. Es handelt sich nicht um ein Zahlungssystem, sondern um ein öffentlich ausgegebenes Instrument, das jeder nutzen kann, sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen. Das Instrument wird von der Zentralbank ausgegeben, aber die digitalen Wallets, die man nutzt, um damit zu handeln und es zu speichern, werden von Akteuren im Markt ausgegeben. Fintechs und Geschäftsbanken können alle dieselbe Plattform nutzen, um sich auf die von ihnen angebotenen innovativen CBDC-Produkte zu konzentrieren. Sie brauchen sich nicht um die zugrunde liegenden Zahlungslösungen zu kümmern. Eine solche digitale öffentliche Infrastruktur kann einen großen wirtschaftlichen Mehrwert schaffen.

Key Takeaways

  1. Bargeld hat für die Gesellschaft fundamentale Vorteile, deren Schutz Aufgabe der Zentralbanken ist.
  2. Beteiligte am Bargeldkreislauf sollten erwägen, die Vorteile von Bargeld zu vermarkten und zeigen, wie Bargeld im Vergleich zu digitalen Zahlungen abschneidet.
  3. Jüngere Generationen sollten sich mit den zentralen Werten des Bargeldes und deren Vereinbarkeit mit ihren eigenen Werten auseinandersetzen.
  1. A Low-Tech Money-Saving Hack Is Thriving on TikTok, Wired, 2023

Veröffentlicht: 19.02.2024

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