Eine Frau beobachtet eine Biene
#Connectivity & IoT

Das IoT für den Artenschutz nutzen

Technische Innovation

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) macht das Leben einfacher, sicherer und vernetzter. Nicht immer steht dabei der Mensch im Mittelpunkt. Weltweit wird das IoT bereits im Tierschutz eingesetzt, sei es, um Bienen zu schützen oder um vom Aussterben bedrohte Nashörner zu retten. Doch nicht nur für den Schutz bedrohter Tiere ist das IoT von großem Nutzen – tatsächlich kann alles Leben davon profitieren.

Als im Jahr 2018 Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt, starb1,lenkte das die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf ein brisantes Thema: die akute globale Bedrohung der Artenvielfalt.

Sudan wurde in den 1970er-Jahren geboren, als bereits die letzten Vertreter seiner Art von Wilderern getötet wurden, um die Nachfrage nach Rhinozeroshörnern in anderen Teilen der Welt zu bedienen. Er hinterließ eine Tochter und eine Enkelin. 
Da aber heute kein männliches Exemplar mehr lebt, ist die Spezies de facto ausgestorben. Doch die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt: So verspricht man sich mithilfe von konserviertem Sperma, Fortschritten in der künstlichen Befruchtung sowie den letzten lebenden Weibchen das Überleben dieser Gattung zu sichern.

Der Tod von Sudan, dem „sanften Riesen“, wie ihn die Menschen nannten, die ihn kannten, macht noch etwas anderes deutlich: Es ist ein erschreckendes Beispiel dafür, welche negativen Auswirkungen die Eingriffe des Menschen in die Natur haben können.

Es ist daher nur folgerichtig, dass wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. So lässt sich die Zukunft weltweit gefährdeter Tierarten auch mit technologischer Unterstützung sichern, wie beispielsweise dem Internet der Dinge (IoT).

„Wir dürfen nicht Gefahr laufen, das Internet der Dinge durch klischeehafte Beispiele zu trivialisieren – etwa den ,Kühlschrank, der frische Milch bestellt‘“, schrieb Sir Mark Walport 20142, damals leitender wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung. Er fügte hinzu, das Internet der Dinge habe „das Potenzial, die Gesellschaft stärker zu beeinflussen als die erste digitale Revolution”3. Zehn Jahre sind vergangen, seit er das schrieb, und sowohl das Internet der Dinge als auch die Technologien dahinter haben sich in dieser Zeit rasant weiterentwickelt.

Im Folgenden wird untersucht, inwiefern sich seine Vorhersage in Bezug auf den Artenschutz bewahrheitet hat. Betrachten wir zunächst, warum das IoT für diese spezielle Aufgabe so gut geeignet ist.

Vorteile des IoT

  1. Das IoT ermöglicht eine kontinuierliche und diskrete Überwachung. Technologische Innovationen wie Langstreckensensoren (LoRa) an Tieren können Kriterien wie Bewegung, Temperatur oder Stress nahezu in Echtzeit überwachen.

  2. Fortschritte bei der Integration nicht terrestrischer Satellitennetze in terrestrische Netze (5G und andere) machen bisher unerschlossene Regionen für die Konnektivität zugänglich und ermöglichen das IoT auch dort. Damit lassen sich Tiere, die große Entfernungen zurücklegen, wie Zugvögel oder bestimmte Meeresbewohner, verfolgen. 

  3. Das IoT nutzt viele Quellen und Mittel zur Datenerfassung. Entscheidend ist die nahtlose Integration aller Informationen über bestehende Plattformen. Die Menge der verfügbaren Daten erleichtert das Erkennen von Mustern und Trends. Die Bandbreite der gesammelten Informationen reicht dabei von Sensoren, die einzelne Tiere (und Tiergruppen) erfassen, bis hin zu Smartphones, die den Aufenthaltsort bestimmter Tiere durch Crowdsourcing ermitteln.

  4. Die Informationen lassen sich nahezu unmittelbar veröffentlichen und teilen. Dadurch können lokale Gemeinschaften und andere interessierte Parteien an der Erhaltung ihrer Lebensräume mitwirken.

In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie das IoT vom Aussterben bedrohten Tieren helfen kann zu überleben.

Fortschritte bei der Tierkennzeichnung

LoRa-Sensoren können eine entscheidende Rolle beim Schutz von Tieren spielen, die einen großen Aktionsradius in Gebieten mit eingeschränkter Konnektivität haben. Die Sensoren nutzen in weitläufigen Gegenden bestehende Mobilfunknetze und haben eine lange Batterielebensdauer. Anders als herkömmliche Funkhalsbänder müssen sie nicht so häufig ausgetauscht werden – ein kostspieliger Prozess, der zudem für die betroffenen Tiere traumatisch sein kann. Nashörner in Südafrika profitieren bereits von diesem Modell.

Die Fortschritte bei der Integration von Satellitenverbindungen in bestehende terrestrische Netze eröffnen neue Möglichkeiten in Gebieten ohne Netzabdeckung – sei es über Ländergrenzen hinweg, in Konfliktgebieten oder auf hoher See. IoT-Dienste sind dank kürzerer Latenzzeiten und größerer Bandbreiten von LEO-Satellitenkonstellationen (Low Earth Orbit) kostengünstiger geworden.

Das 3rd Generation Partnership Project (3GPP) definiert das Standardisierungsprotokoll für die Integration satellitengestützter und terrestrischer Netze. Eine weltweite Abdeckung wäre mit Sensoren möglich, die mit batterieoptimierten iSIMs ausgestattet und mit zellularen Satellitennetzen verbunden sind. Durch die geringe Größe der iSIMs können solche Geräte zudem kleiner und unauffälliger gestaltet werden.

Herden beobachten, um Verhalten vorherzusagen

TierverhaltensforscherInnen haben entdeckt, dass man aus dem Herdenverhalten wertvolle Erkenntnisse über akute Gefahren gewinnen kann, unter anderem über den möglichen Aufenthaltsort von Wilderern. Tiere reagieren auf natürliche Feinde wie Löwen anders als auf Menschen. Sensoren ermöglichen es, nicht nur Einzeltiere, sondern auch ganze Herden in Echtzeit zu erfassen.

Die Fortschritte bei der Auswertung der verfügbaren Daten ermöglichen es NaturschützerInnen und WildhüterInnen, auf der Grundlage dieser Informationen lebensrettende Entscheidungen vor Ort zu treffen. Im südlichen Afrika werden Herden von Beutetieren wie Impalas und Zebras markiert und überwacht, um mehr über sie und ihren Lebensraum zu erfahren und bedrohte Tiere wie Nashörner und Elefanten zu schützen.

Eine Frau installiert eine Wildkamera im Wald

Ständige Überwachung der Umgebung

Überwachungskameras haben ausgedient, stattdessen kommen Wärmebildkameras und seismische Sensoren zum Einsatz. Sie registrieren selbst kleinste Übertretungen und können von einer Rangerpatrouille auf mögliche Gefahren überprüft werden. In verschiedenen Parks in und um Südafrika sind sogenannte Reserve Area Networks (RAN) entstanden, die diese Daten sammeln und auswerten, um den Einsatz der RangerInnen zu optimieren.

Detektion und Schutz durch Crowdsourcing

Wer scheue Meerestiere schützen will, muss sie erst einmal orten. Erst dann lassen sich Informationen über ihre Bewegungen und Gewohnheiten sammeln. Die Ozeane sind zwar riesig, aber auch hier kann die Technik helfen: So hat die Verbreitung von Smartphones den positiven Nebeneffekt, dass beispielsweise FischerInnen gebeten werden können, bei der Sichtung bestimmter Tiere ein Foto zu machen. Alle, die am und vom Meer leben und sich an diesen Aktivitäten beteiligen, können damit einen Beitrag zum Schutz ihres Ökosystems leisten. Mithilfe von künstlicher Intelligenz werden alle diese Bilder analysiert, um immer genauere Informationen zur Lokalisierung und Vorhersage künftiger Bewegungen zu gewinnen. Der Dugong, ein scheuer und bedrohter Meeressäuger, besser bekannt als „Seekuh“, wurde auf diese Weise in den Gewässern rund um die Philippinen geortet.

Bestanderhaltung durch Geofencing

Rentiere zählen zwar nicht zu den gefährdeten Tierarten, doch in Ländern wie Norwegen und Finnland werden viele von ihnen von schnell fahrenden Zügen erfasst und getötet. Forschungen haben ergeben, dass sich durch das Markieren von Rentierherden ermitteln lässt, wann welche Herde voraussichtlich wo die Gleise überqueren wird. Mit diesem Wissen können Lokführer vorausschauend die Geschwindigkeit der Züge reduzieren. Die Strecke selbst wird sozusagen durch Geofencing gesichert. Dies ist besonders grenzübergreifend von Bedeutung, da sich Rentiere nicht an Landesgrenzen halten.

Hilfe für die Bienen

Obwohl die Honigbiene streng genommen nicht vom Aussterben bedroht ist, sind ihre Bestände in vielen Regionen, beispielsweise in Nordamerika, gefährdet. Als produktive Bestäuber sind alle Bienenarten für die Gesundheit unserer Ökosysteme unerlässlich. Sensoren in den Bienenstöcken erfassen Werte wie Temperatur, Feuchtigkeit und sogar das Gewicht der Bienen, um optimale Bedingungen für die Gesundheit der Bienenstöcke und damit für die gesamte sie umgebende Landschaft zu gewährleisten.

Auch die Anwesenheit und das Verhalten aggressiver Schädlinge wie Wespen und bestimmter Hornissen lassen sich mithilfe von Sensoren überwachen. Ist ein Eindringling entdeckt, kann der Bienenstock zu seinem Schutz umgesiedelt werden.

Von winzigen Insekten bis zu riesigen Säugetieren – weltweit sind zahlreiche Tierarten nachweislich in ihrer Existenz bedroht. Zur Wahrheit gehört auch, dass sich leider nicht alle Populationen erholen werden. Aber Technologien wie KI und IoT ermöglichen positive Eingriffe, die einen messbaren Nutzen bringen können. Wie Sir Mark Walport bereits vor zehn Jahren prophezeite, hat das Internet der Dinge weit mehr zu bieten als smarte Küchengeräte. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des IoT führt zu immer neuen Anwendungsmöglichkeiten. Viele davon werden sich in unserer sich ebenso kontinuierlich verändernden Welt als bedeutsam erweisen.

Key takeaways

  • Das IoT kann Informationen schneller, weniger invasiv und kostengünstiger sammeln als frühere Formen der Datenerhebung.
  • Das IoT erfasst Informationen über verschiedene Wege und Plattformen hinweg und stellt sie nahezu in Echtzeit zur Verfügung.
  • Noch bevor eine Bedrohung eintritt, können Trends erkannt und Maßnahmen ergriffen werden. Die Informationen lassen sich unverzüglich weiterleiten und  stehen allen Interessierten zur Verfügung, einschließlich der lokalen Gemeinschaften, die den betroffenen Arten am nächsten sind.
  1. Northern white rhino: Last male Sudan dies in Kenya, BBC, 2018

  2. The Internet of Things: making the most of the Second Digital Revolution, Government Office for Science, UK, 2014

  3. Ebd.

Veröffentlicht: 30.04.2024

Diesen Artikel teilen

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Verpassen Sie nicht die neusten Artikel von G+D SPOTLIGHT: Wenn Sie unseren Newsletter abonnieren, bleiben Sie immer auf dem Laufenden über aktuelle Trends, Ideen und technische Innovationen – jeden Monat direkt in Ihr Postfach.

Bitte geben Sie Ihre Daten an: