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Digitale Reisepässe: Der DTC Typ 3 weist den Weg

Neue Technologie
5 Min.

Technologische Innovationen erleichtern zwar das Leben in vielen anderen Bereichen, doch die Beantragung von Visa und der Grenzübertritt sind für Reisende nach wie vor mühsam. Eine sichere und benutzerfreundliche Lösung ist zum Greifen nahe und könnte das Reisen tatsächlich sicherer und einfacher machen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten nicht mehr an Ihren Reisepass denken, wenn Sie ins Ausland reisen. Stattdessen benötigen Sie nur noch eine digitale Einreisegenehmigung (Digital Travel Authority, DTA). Ihr mobiles elektronisches Gerät hat alle notwendigen Informationen bereits gespeichert, sodass Sie die erforderlichen Anträge in Sekundenschnelle ausfüllen können.

Dieses Gerät kann Ihr Telefon sein, aber auch eine Smartwatch oder ein Transponder am Schlüsselbund – es muss nur folgende Merkmale aufweisen:

1. ein Sicherheitsmodul und

2. eine Datenschnittstelle, z. B. NFC (Near Field Communication), Bluetooth, Wi-Fi Aware oder einen ähnlichen Verbindungsmodus.


Und so würde Ihre Flugreise verlaufen: Bei der Ankunft am Flughafen verfügt Ihr Gerät bereits über alle notwendigen Informationen, um Sie am Schalter der Fluggesellschaft zu identifizieren und sicherzustellen, dass Sie die nötigen Einreiseberechtigungen besitzen. Beim Boarding aktivieren Sie Ihr „smartes“ Gerät, um den von der Fluggesellschaft vorgegebenen Boarding-Prozess abzuschließen. Jetzt brauchen Sie nur noch den Sitzplatz einzunehmen und können Ihren Flug genießen.

Am Zielort angekommen, hilft Ihnen Ihr Gerät bei der schnellen Abwicklung der Einreiseformalitäten – vorausgesetzt, Sie haben sich für den elektronischen Reisepass registriert und der Flughafen ist dafür technisch ausgelegt. Möglicherweise ist der Zielflughafen mit biometrischen Korridoren ausgestattet, die Ihre Einreiseerlaubnis auf dem Weg zum Ausgang überprüfen. Und um gleich in der Landeswährung bezahlen zu können, loggt sich Ihr Gerät sogar automatisch bei der lokalen digitalen Bezahlplattform ein.

Wäre es nicht großartig, nie mehr Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen oder bei der Passkontrolle verschwenden zu müssen? Nie mehr Schlange zu stehen? Klingt das nur zu schön, um wahr zu sein, oder vielmehr nach der nächsten Etappe auf dem Weg zum digitalen Reisepass (engl. kurz DTC)?

Ein Mann zeigt seine Boardkarte auf seinem Smartphone

Wie ein ePass, nur anders

„Ein digitales Reisedokument (DTC) besteht aus einer virtuellen Komponente (engl. kurz VC), die die digitale Darstellung der Identität des Inhabers oder der Inhaberin enthält, und einer physischen Komponente (engl. kurz PC), die kryptografisch mit der VC verbunden ist“, sagt Thomas Aichberger, Senior Product & Solutions Manager bei Veridos, einem Joint Venture von G+D und der Bundesdruckerei. Auch wenn er viele der gleichen Anwendungsfälle abdeckt, wie beispielsweise die sichere Identifizierung und Authentifizierung beim Grenzübertritt, kann ein DTC in der aktuellen Typ-1-Version einen Reisepass nicht ersetzen.

Für unsere Betrachtung schauen wir uns an, wie die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) das Thema definiert: „Ein DTC ist eine digitale Darstellung der Identität eines Reisenden, die vorübergehend oder dauerhaft einen herkömmlichen Reisepass ersetzen kann. Der DTC funktioniert im Reiseverkehr ähnlich wie der ePass und kann über die Public-Key-Infrastruktur (PKI) der ausstellenden Behörde validiert werden.“1

Ein DTC ist nur mobil verfügbar und muss von einer staatlichen Behörde ausgestellt werden. Durch die Speicherung auf einem mobilen Gerät ist er einfach zu handhaben und jederzeit abrufbar – alles, was man braucht, ist eine Internetverbindung. Die aktuellen ICAO-Spezifikationen für DTCs sehen vor, dass sie bei Verlust oder anderen Notfällen das physische Dokument ersetzen. So können Sie sich mit nur wenigen Klicks auf Ihrem Mobilgerät ausweisen und Ihre Reise fortsetzen.

Da sich das Reisen kontinuierlich weiterentwickelt, immer neue Anwendungsfälle entstehen und Technologie und Innovation stetig voranschreiten, ändern sich auch die Vorstellungen darüber, was ein DTC ist und in Zukunft sein könnte.

Die Entwicklungsstufen des DTC

Im Jahr 2020 wurden von der ICAO die Bestimmungen für die erste Version des DTC veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt waren die Pandemie und die mit ihr verbundenen Einschränkungen bereits deutlich spürbar. Der DTC Typ 1 sollte kein Ersatz für einen ePass oder ein elektronisches maschinenlesbares Reisedokument (eMRTD) sein. Er konnte an einem Automaten am Flughafen erstellt werden, aber dafür war die Vorlage des physischen Reisepasses erforderlich (s. Abb./Grafik unten).

Eine Grafik zur Erklärung der Der digitale Reisepass-Typen

Laut Thomas Aichberger liegen die Anwendungsfälle auf der Hand, denn die Informationen des ePasses sind sofort auf dem DTC verfügbar. Mit der passenden App können diese Informationen bei Visumsanträgen, DTAs und anderen Formalitäten übernommen werden. Das Ausfüllen dieser Anträge ist in der Regel sehr zeitintensiv und Fehler lassen sich im Nachhinein nur schwer korrigieren. Der DTC Typ 1 kann auch beim Check-in hilfreich sein. Aichberger weist aber darauf hin, dass man seinen ePass trotzdem mit sich führen und auf Verlangen vorzeigen muss.

“Ein digitales Reisedokument (DTC) besteht aus einer virtuellen Komponente (VC), die die digitale Darstellung der Identität des Inhabers oder der Inhaberin enthält, und einer physischen Komponente (PC), die kryptografisch mit der VC verbunden ist.“
Thomas Aichberger
Senior Product & Solutions Manager bei Veridos

Der DTC Typ 2 ist mit dem eMRTD und einer Smartwatch, einem Smartphone oder einem Transponder verbunden. Es wird empfohlen, den ePass mit sich zu führen, aber, streng genommen, ist dies nicht erforderlich. Denn um einen ePass zu verifizieren, braucht die ausstellende Behörde lediglich den DTC des Inhabers kryptografisch zu signieren und ihn mit dem ausgewählten „smarten“ Gerät zu verknüpfen. Die Kontrolle verbleibt somit bei der ausstellenden Behörde, sodass ein Klonen des DTC verhindert wird.

Mit der dritten Variante, dem DTC Typ 3, geht die Reise nun in eine noch interessantere Richtung. Er wird von der zuständigen Behörde ausgestellt und mit einer digitalen Signatur versehen. Der DTC Typ 3 funktioniert somit losgelöst von einem physischen Dokument und ist auch nicht mehr an ein bestimmtes Gerät (Smartphone u. Ä.) gebunden. Der Vorteil: Wer sein Mobilgerät verliert, kann seinen digitalen elektronischen Reisepass ohne Mühe ersetzen, sobald er über ein neues Gerät verfügt.

Damit ist der Weg geebnet, um in Zukunft physische ePässe durch DTCs Typ 3 zu ersetzen.

Dem nahtlosen Reisen einen Schritt näher

Der World Travel and Tourism Council (WTTC) möchte allen „eine nahtlose, bequeme und sichere Reise ermöglichen, sowohl in der Luft als auch an Land“.2 Der WTTC definiert das nahtlose Reisen „als eine Reise, bei der Reisende ihre Dokumente (z. B. Bordkarten) oder Ausweispapiere (z. B. Reisepass) nicht mehr vielfach an verschiedenen Kontrollpunkten vorzeigen müssen“. Gleiches sollte auch für andere Dienstleistungen außerhalb des Luftverkehrs, wie beispielsweise für Mietwagenfirmen und Hotelketten, gelten.3

Mit dem DTC Typ 3, dessen Einsatzmöglichkeiten nicht auf den Reiseverkehr beschränkt sind, könnte das gelingen. Bei Autovermietungen, im Hotel- und Gaststättengewerbe und beim Zugang zu Zahlungsplattformen sind strenge Identitätsprüfungen erforderlich, die mit dem DTC Typ 3 ebenfalls gewährleistet wären. Auch das Mitführen von Ausweisdokumenten in Papierform würde entfallen, ebenso wie die manuelle Eingabe persönlicher Informationen durch Rezeptionisten und Rezeptionistinnen, Schalterbeamte und Schalterbeamtinnen und andere Dritte.

Natürlich müssen die Wünsche der Reisenden mit den Sicherheitsbestimmungen, die ein Land bei der Ein- und Ausreise vorschreibt, in Einklang gebracht werden. „Hier müssen sowohl die ausstellenden Behörden als auch die verantwortlichen Drittparteien an einem Strang ziehen“, sagt Aichberger.

Die ICAO arbeitet dafür mit der International Standards Organization (ISO) zusammen. Ziel ist es, Richtlinien zu entwickeln, die sowohl den staatlichen Sicherheitsanforderungen gerecht werden als auch das Reisen komfortabler machen. G+D und Veridos sind Teil der ISO-Gruppe, die den nächsten Standard (Technical Report) ausarbeitet. Angesichts der technischen Innovationen, die bereits existieren oder sich in der Entwicklung befinden, besteht Grund zu der Annahme, dass ein nahtloseres Reisen, wie es der DTC Typ 3 ermöglicht, in greifbare Nähe rückt.

Key Takeaways

  • Außer im (noch) nahtloseren Reisen liegt einer der Vorteile der DTCs in ihrer Ersetzbarkeit. Theoretisch ist bei Verlust, Verlegen oder Beschädigung des bisherigen Ausweises sofort ein Ersatz verfügbar.
  • Mit dem DTC Typ 3 werden keine physischen Pässe mehr benötigt.
  • Mögliche Einsatzbereiche sind neben dem Reiseverkehr auch das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Anmeldung neuer Nutzer bei digitalen Zahlungsplattformen, d. h. überall dort, wo eine Sicherheits-ID vorgelegt und verifiziert oder ein entsprechendes Formular ausgefüllt werden muss.
  1. Guiding Core Principles for the Development of Digital Travel Credential (DTC), ICAO, Oct 2020

  2. Global Guidelines for Safe & Seamless Traveller Journey, WTTC and Oliver Wyman, 2021

  3. Ibid.

Veröffentlicht: 16.01.2024

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