Das Corona-Virus hat den Trend der kontaktlosen biometrischen Technologie für eine nahtlose und schnelle Überprüfung zusätzlich verstärkt. Gesichtserkennung bietet eine vielversprechende Lösung für eine effiziente und sichere Authentifizierung, vor allem bei der Grenzkontrolle.
Reibungslose Gesichtsüberprüfungsprozesse, die Komfort, Geschwindigkeit und Sicherheit miteinander verbinden, verbreiten sich nach und nach auf der ganzen Welt. Durch das Einrichten von zehn automatisierten Grenzkontroll-Gates, oder den eGates, im Jahr 2018 konnte der Flughafen Luxemburg die Abfertigungszeit reduzieren, dabei dennoch höchste Sicherheitsstandards aufrechterhalten und so mit den steigenden Passagierzahlen umgehen. Der komplette Grenzkontrollvorgang ist jetzt im Idealfall in weniger als 14 Sekunden abgeschlossen.1
Biometrische Gesichtstechnologie verwendet 2-D- oder 3-D-Sensoren zur Erfassung eines Gesichts und Algorithmen, um es in digitale Daten umzuwandeln. Automatisierte Systeme ermöglichen die einfache und schnelle Überprüfung einer Identität ohne eine physische Interaktion. Neue Techniken wie die Normalisierung sorgen für eine bessere Erfassung von Profilen aus verschiedenen Perspektiven oder bei subtilen Veränderungen in Stimmung oder Ausdruck.2 Obwohl dies die Genauigkeit der Gesichtserkennungstechnologie verbessert, wirft es auch Fragen in Bezug auf Privatsphäre, Zustimmung und systematische Ungleichbehandlung auf. Durch die Einführung des neuen Passstandards im Jahr 2025 befinden wir uns jetzt in einer entscheidenden Phase, in der die Durchführbarkeit eines groß angelegten Einsatzes von innovativen Gesichtserkennungstechnologien geprüft und ethische Aspekte bewertet werden müssen.
Datenschutz: Überprüfung vs. Identifizierung
Wenn man über die ethischen Aspekte der Gesichtserkennung nachdenkt, ist es wichtig, zunächst den Unterschied zwischen einer Gesichtsüberprüfung und einer Gesichtsidentifizierung zu klären. Während Gesichtserkennung ein allgemeiner Ausdruck ist, der die Identifizierung oder Überprüfung einer Person anhand ihrer Gesichtsmerkmale bezeichnet, handelt es sich bei der Gesichtsüberprüfung um einen Eins-zu-eins-Abgleich mit einer Referenz (wie dem Pass), um zu kontrollieren, ob jemand die Person ist, die sie angibt zu sein. Bei der Identifizierung hingegen wird ein Bild gleich mit mehreren anderen verglichen. Eine Anwendung hiervon ist die Überwachung, bei der Menschen per Kamera erfasst werden. Für solche Überwachungszwecke werden die privaten Daten der Menschen oft in einer zentralen Datenbank gespeichert, die anfälliger für Datenschutzverstöße sein kann.
Dagegen wird die Gesichtsüberprüfung lokal auf einem Chip bzw. einem mobilen oder sonstigen Gerät gespeichert. So können Regierungen, Flughäfen oder Unternehmen nicht auf die Daten zugreifen, da diese nirgendwo anders gespeichert werden. Vor der Verwendung einer solchen biometrischen Technologie sollte eine Zustimmung erfolgen. Damit Grenzübertritte schneller und reibungsloser ablaufen, wird sich ein Großteil der Vielreisenden wahrscheinlich für Schnellverfahren anmelden können. In absehbarer Zukunft werden diese aber immer optional bleiben, was bedeutet, dass die Menschen diese Schnellverfahren freiwillig in Anspruch nehmen können. Sie stimmen der Nutzung ihrer Datensätze in einem bestimmten Umfang zu, um den Grenzübertritt zu beschleunigen.
Um die biometrischen Daten der Bürgerinnen und Bürger noch besser zu schützen, müssen sich Organisationen strikt an die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder an ihre eigenen nationalen Datenschutzregulierungen halten. Bevor eine neue Technologie genehmigt wird, muss sie bestimmte Standards erfüllen und offiziell durch Behörden wie das American National Institute for Technology (NIST) oder in Deutschland das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bewertet werden. Außerdem müssen die Regierungen den Regulierungsrahmen im Zuge der Entwicklung neuer Technologien und Anwendungen immer wieder neu anpassen. Die EU hat sich beispielsweise damit beschäftigt, wie die eIDAS-Regulierung mit der Verwendung von dezentralen oder selbstbestimmten Identitäten verknüpft werden kann. Bei diesem Ansatz sollen die Nutzenden in die Lage versetzt werden, ihre eigenen Identitäten zu erstellen und darüber zu verfügen, ohne auf eine zentrale Behörde angewiesen zu sein.3 Solche Diskussionen sorgen für mehr Transparenz und konstant hohe Standards in der gesamten Branche.
Geschwindigkeit und Sicherheit im Gleichgewicht
Ein Problem, das eine solche Standardisierung aufwirft, ist das der Inklusion und Zugänglichkeit. Grenzkontrollen konzentrieren sich oft auf einzelne Passagiere über 16 Jahren. Gruppen, Kinder und Menschen mit Behinderung sind derzeit von der Nutzung der Schnellverfahren ausgeschlossen. Zudem werden die meisten Algorithmen für biometrische Gesichtserkennung beeinflusst: Manche Menschen übertragen gewisse Vorurteile beim Datensatz-Training, sodass der Algorithmus Gesichtsmerkmale von Minderheiten oder Peronen mit dunklerer Haut eventuell schlechter erkennen kann. Um dieser ethnischen Einseitigkeit entgegenzuwirken, ist es wichtig, eine breite Streuung von Daten mit vielen verschiedenen Ethnien in die Trainingsdaten einfließen zu lassen. Unternehmen beschäftigen sich verstärkt damit, wie biometrische Technologie gerechter und inklusiver gestaltet werden kann. Für jede individuelle Anwendung und das jeweils benötigte Sicherheitsniveau muss die effektivste und praktischste biometrische Modalität in Betracht gezogen werden.
Ein neues EU-Forschungsprojekt von Veridos namens D4Fly hat das Ziel, die Qualität und Effizienz der Grenzkontrollen zu verbessern. Besonders wichtig ist die Zustimmung aller Nutzerinnen und Nutzer, bevor Schnellverfahren angewendet werden können. Das Projekt, das vollständig „Detecting Document Fraud and iDentity on the Fly“ (etwa „Dokumentenbetrug und Identität schnell erkennen“) heißt, umfasst ein Team von 19 Partnern, darunter Universitäten, kleine und mittelständische Unternehmen, Forschungsinstitute und Grenzkontrollstellen. D4Fly evaluiert Techniken, um gegen Bedrohungen in der Identitätsüberprüfung anzugehen, zum Beispiel Identitätsbetrug, Fälschungen und durch Morphing manipulierte Gesichter. Es behandelt Themen wie die 3-D-Gesichts- und die Iriserkennung, die Verwendung von Smartphones für eine verbesserte Überprüfung von Reisenden sowie die potenziellen Vorteile und Anwendungen von künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Computer-Vision-Algorithmen.
Die Abläufe werden zudem durch die Nutzung fortschrittlicher Voranmeldeverfahren gestrafft, ein Thema, das D4Fly ebenfalls untersucht. Hierbei könnten eVisa oder andere Formen der Identifikation zum Einsatz kommen, um sich im Voraus anzumelden und bereits vor Reiseantritt eine Form der Überprüfung zu initiieren. So können Grenzkontrollstellen zwischen Passagieren mit niedrigem und solchen mit hohem Risiko unterscheiden. Hierdurch würde sich der Komfort für viele erhöhen und gleichzeitig wären bei Bedarf nach wie vor sichere und gründliche Überprüfungen möglich.
Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, dem privaten Sektor und der Öffentlichkeit ist essenziell. Das kann sicherstellen, dass bezüglich ethischer Fragen alle Aspekte bedacht werden und die Wirksamkeit der neuen biometrischen Technologie maximiert wird. Die Technologie muss von Anfang an den Datenschutz einbeziehen – Sicherheit und der Schutz von Daten müssen eine Grundvoraussetzung bei der Entwicklung einer solchen Technologie sein. Zudem müssen Regierungen hohe Standards sowie eine Regulierung entwickeln und diese dauerhaft einhalten. Gleichzeitig ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Öffentlichkeit sich über eine solche Technologie informiert und versteht, wie die Daten von Menschen in verschiedenen Szenarien verwendet werden könnten. Sind diese Bedingungen erfüllt, haben die neuen Technologien und Prozesse in der Gesichtsüberprüfung eine spannende Zukunft vor sich. Sie können schnellere, komfortablere Abläufe bieten, ohne Sicherheit oder ethische Standards zu beeinträchtigen.
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