Hybrides Meeting im Büro und remote
#Business Transformation

Die neue Arbeitswelt erfordert ein Umdenken in den Führungsetagen

Globale Trends
8 Min.

Die flexiblen Arbeitsmodelle, die unsere Arbeitswelt dauerhaft verändert haben, erfordern auch einen neuen Führungsstil, der auf Vertrauen und Zusammenarbeit beruht. Gleichzeitig bietet diese neue Art des Arbeitens auch Innovationsmöglichkeiten, mehr Effizienz und Zugang zu einem größeren Pool von Talenten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren u. a. von flexibleren Modellen. Dennoch stellt diese neue Form des Arbeitens auch eine große Herausforderung für Führungskräfte dar. Zu diesem Thema haben wir mit zwei leitenden Führungskräften aus dem Personalmanagementteam von G+D – Beate Vollmond und Thomas Steininger – im Rahmen eines zweiteiligen Interviews gesprochen. Was sind ihre Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Umsetzung dieser neuen Arbeitsweise?

Führung, die auf Vertrauen basiert

Inwiefern sollten Führungskräfte ihren Führungsstil, ihr Verhalten und ihre Denkweise ändern, um auf die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt zu reagieren?

Thomas Steininger: Angesichts der jüngsten Umwälzungen, die nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch die digitale Transformation, den Fachkräftemangel usw. hervorgerufen wurden, stehen Führungskräfte vor vielen Herausforderungen – und müssen dafür auch neue Lösungen finden. Wenn wir beispielsweise auf die erste Phase der Corona-Pandemie zurückschauen, gab es in unserem Unternehmen aus technischer Sicht keine Probleme mit der Arbeit im Homeoffice. Doch viele Führungskräfte mussten aufgrund der Situation ihre Herangehensweise ändern.

So spielt etwa das gegenseitige Vertrauen eine viel größere Rolle bei der Arbeit als bisher. Zahlreiche Führungskräfte haben gesehen, dass ihre Mitarbeitenden auch ohne direkte Kontrolle ihr Bestes geben. Teilweise erfahren wir ein Wiederaufleben der sogenannten transaktionalen Führung, bei der Aufgaben in mehrere Teilaufgaben unterteilt und spezifische Fristen für die Abgabe der fertiggestellten Teilaufgaben vereinbart werden. Da sich die Mitarbeitenden nicht mehr jeden Tag sahen, war es umso wichtiger, Strukturen festzulegen und einzuhalten. Für die Kollegen und Kolleginnen im Homeoffice hat sich natürlich auch einiges geändert: Einigen fiel es leicht, von zu Hause aus zu arbeiten, andere brauchten jedoch mehr Struktur und Unterstützung – wofür viele Führungskräfte erst neue Kompetenzen entwickeln mussten.

Auch mit der zunehmenden Rückkehr ins Büro bleibt die Arbeit im Homeoffice Bestandteil unserer Arbeitswelt. Viele Unternehmen bieten ihren Beschäftigten hybride Arbeitsmodelle an – was einfacher klingt, als es tatsächlich ist. Zwar können die Führungskräfte wieder auf ihren bewährten Führungsstil zurückgreifen, müssen jedoch noch flexibler sein als bisher. Die Teamleitung bringt immer wieder neue Herausforderungen mit sich, da jede/r unterschiedliche Erwartungen an die Arbeit hat und eine andere Arbeitsform bevorzugt. Einige wollen jeden Tag ins Büro kommen, andere arbeiten lieber die meiste Zeit von zu Hause aus. So ist das gesamte Team nur noch selten, wenn überhaupt, an einem Ort zusammen.

Deshalb ist ein flexibler Führungsstil notwendig, der auf verschiedene Mechanismen, Tools und Konzepte zurückgreift. Es gibt keine Universallösung – dieser Grundsatz gilt heute noch mehr als vor COVID-19 – und Unternehmen müssen sich schnell an neue Situationen anpassen können.

Thomas Steininger und Beate Vollmond G+D
Thomas Steininger, Director – Head of Global Talent Management & Leadership Development, G+D (links), und Beate Vollmond, Director – Head of HR Engage & Reward, G+D (rechts)

Neue Herausforderungen und Modelle für Führungskräfte

Was sind bei dieser neuen Arbeitsweise die größten Herausforderungen für Führungskräfte?

Beate Vollmond: Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellt generell eine große Herausforderung dar, wenn das Team seltener im Büro arbeitet und sich seltener sieht. Wie können neue Kolleginnen und Kollegen sich in dieser Arbeitsumgebung dennoch als Teil des Teams fühlen und die Unternehmenskultur und das gemeinsame Ziel verinnerlichen? Beispielsweise könnte festgelegt werden, dass neue Mitarbeitende in der Anfangsphase auf die Arbeit von daheim verzichten, um die neue Umgebung und die neuen Kollegen und Kolleginnen kennenzulernen. Natürlich sollte in dieser Zeit auch die verantwortliche Führungskraft anwesend und ansprechbar sein. Die konkrete Lösung hängt jedoch vom Ort und von der jeweiligen Funktion ab.

Thomas Steininger: Besonders für neue Mitarbeitende kann es sehr wichtig und von Vorteil sein, wenn sie im Büro arbeiten. Auch wenn Flexibilität hoch im Kurs steht, sind wir der Meinung, dass die Einarbeitung von zu Hause aus sowohl für die betreffende Person als auch für das Unternehmen nur selten funktioniert. Die direkte Interaktion mit dem neuen Unternehmen eignet sich wahrscheinlich am besten, um Loyalität gegenüber dem neuen Arbeitgeber zu entwickeln und Beziehungen mit den anderen Teammitgliedern und Führungskräften aufzubauen. Außerdem ist die Zusammenarbeit viel einfacher, wenn sich das Team im Büro befindet. Davon profitieren alle Teammitglieder sowie Teamleiterinnen und Teamleiter. Gleichzeitig sind wir heutzutage auch offen, wenn jemand nur zwei- oder dreimal in der Woche ins Büro kommen will.

Wahrscheinlich wird es nie das perfekte Modell für hybrides Arbeiten geben. Es hängt immer von der jeweiligen Abteilung, vom Land, vom Standort usw. ab. Nur eins steht fest: Das Modell muss flexibel sein. Führungskräfte mussten schon vor dem Trend zum Homeoffice wissen, wie sie die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Teammitglieder optimal einsetzen. Jetzt müssen sie zudem die unterschiedlichen Wünsche für Arbeitsort und Arbeitszeit auch innerhalb eines Teams berücksichtigen.

Müssen Führungskräfte die Lebensumstände der einzelnen Teammitglieder noch stärker berücksichtigen?

Thomas Steininger: Führungskräfte müssen heutzutage ihre Mitarbeitenden einschätzen, ohne sie regelmäßig zu sehen. Das ist natürlich keine einfache Aufgabe, wenn die Mitarbeitenden den zum großen Teil Teil von zu Hause aus arbeiten. Bei Gesprächen im Büro können Vorgesetzte leichter herausfinden, wie sich ihre Mitarbeitenden fühlen. Sie sehen ihre Körpersprache, sehen, wie sie kommunizieren, und können sich so ein gutes Bild vom Gemütszustand machen.

Wenn jemand nur ab und zu im Büro erscheint, ist der persönliche Kontakt zum/zur Vorgesetzten nur sporadisch, sodass diese/r lediglich grob abschätzen kann, wie es dem Mitarbeiter bzw. der Mitarbeiterin geht. Selbst bei regelmäßigen Videoanrufen ist es deutlich schwerer, zu erkennen, ob alles in Ordnung ist und das Teammitglied sich wohlfühlt. Das müssen Führungskräfte unbedingt berücksichtigen.

Durch die Entfernung entsteht ein weiteres Problem, das Führungskräfte bedenken sollten. Einige Mitarbeitende teilen ihnen direkt mit, wenn sie ein Problem mit einem Projekt oder einer Aufgabe haben; andere melden sich erst, wenn es fast schon zu spät ist. Das Homeoffice erschwert das Ganze, da Probleme meist noch später angesprochen werden.

Beim persönlichen Kontakt können Führungskräfte auf bestimmte Details achten, um die Lage einzuschätzen. Das gilt sowohl für persönliche Probleme eines Teammitglieds als auch für Probleme mit der Arbeit.

Neue Arbeitskonzepte

Hybrides Arbeiten (remote und vor Ort)
Immer mehr Unternehmen fördern hybride Arbeitsmodelle.

Welche Konzepte für die neue Arbeitswelt haben Unternehmen in den letzten Jahren Ihrer Erfahrung nach ausprobiert, als effektiv befunden und etabliert?

Beate Vollmond: Die Herausforderungen der vergangenen Jahre haben in vielen Unternehmen zu einem Umdenken und zu einem Experimentieren mit verschiedenen Arbeitsmodellen geführt. Viele haben dabei festgestellt, dass es keine Universallösung gibt. Als ein Unternehmen mit vier Hauptsparten – Bezahlen, Konnektivität, Identitäten und digitale Infrastrukturen – haben wir gesehen, dass verschiedene Gruppen neue Arbeitsweisen übernommen haben, die ihren konkreten Anforderungen am ehesten entsprechen. Einige Bereiche des Unternehmens haben beispielsweise ihre vorhandenen Modelle flexibler gestaltet und sind damit sehr erfolgreich.

Entscheidend ist, dass herkömmliche Strukturen teilweise aufgebrochen werden: Man braucht Möglichkeiten, um in Unternehmen sektor- und funktionsübergreifend zusammenzuarbeiten, sodass die besten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für ein Projekt von verschiedenen Standorten, Geschäftseinheiten und Funktionen zusammengebracht werden.

Dafür haben wir eine Initiative mit dem Namen „Growing.Together“ gestartet. Diese ist in vier Bereiche unterteilt: New Work, Mobile Working, IT Tools & Platforms und Flex Office (zur gemeinsamen Nutzung von Schreibtischen). Im Bereich New Work stehen die Einbeziehung der Mitarbeitenden, die Motivation, die Zusammenarbeit und eine vertrauensbasierte Führung im Mittelpunkt.

Thomas Steininger: Als multinationales Unternehmen haben wir schon immer Teams aus verschiedenen Ländern zusammengebracht, um gemeinsam die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen. Durch die neuen Arbeitsweisen können wir diese Kompetenz- und Wissensbasis noch weiter ausbauen. Dabei denken wir an übergreifende Cluster, die eine Zusammenarbeit in Untergruppen über Landes- und Funktionsgrenzen hinweg ermöglichen, um unsere Ziele zu erreichen.

In vielerlei Hinsicht ist G+D ein gutes Beispiel für eine „beidhändige Organisation“. Auf der einen Seite arbeiten Teile der Organisation bereits äußerst flexibel. Diese Kollegen und Kolleginnen sind daran gewöhnt, in sich schnell ändernden Umgebungen zu arbeiten, und kennen den Druck, der damit einhergeht.

Auf der anderen Seite gibt es einige Bereiche, die eher traditionell aufgestellt sind. Doch auch hier findet eine Transformation hin zu mehr Digitalisierung und Automatisierung statt. In diesen Bereichen führen wir seit 170 Jahren stabile und erfolgreiche Geschäfte und sind gleichzeitig offen für neue Entwicklungen.

Entwickelt sich der Arbeitsplatz zu einem Ort, der mehr Gruppenaktivitäten wie Zusammenarbeit und gemeinsames Brainstorming unterstützt?

Beate Vollmond: Unserer Erfahrung nach sind wir innovativer und kreativer, wenn wir uns persönlich treffen. Deshalb ermutigen wir die Mitarbeitenden, für solche Aktivitäten ins Büro zu kommen.

Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, eine inklusive Kultur der Zusammenarbeit zu schaffen, in der wir unsere Ideen austauschen, Vertrauen aufbauen und gemeinsam etwas entwickeln können. Online ist dies nicht so gut möglich.

Außerdem merkt man, um wie viel schneller und besser ein Problem in fünf Minuten in einem Gespräch am Schreibtisch geklärt werden kann als in einem 30-minütigen Meeting, das in die vollen Terminkalender der Teammitglieder passen muss.

Kurz gesagt: Das Büro eignet sich besser, um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Manchmal müssen wir unsere Mitarbeitenden wieder daran erinnern, dies zu nutzen.

Gemeinsames Ziel

Haben die Umwälzungen der letzten Jahre nicht nur die Arbeitswelt verändert, sondern auch die Unternehmen dazu gebracht, ihre Ziele neu zu überdenken?

Beate Vollmond: Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Unternehmen einem klar definierten Ziel folgen sollten. Wir sind bestrebt, unseren Mitarbeitenden möglichst genau darzulegen, welche Rolle sie für das Gesamtunternehmen spielen.

Der berühmte Management-Vordenker Peter Drucker bringt dies auch mit seiner Geschichte von den drei Steinmetzen zum Ausdruck: Ein Fremder begegnet drei Steinmetzen und fragt sie, was sie tun. Der erste Steineklopfer antwortet: „Ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt.“ Der zweite sagt: „Ich mache die beste Steinmetzarbeit im ganzen Land.“ Der dritte erwidert: „Ich baue eine Kathedrale.“ Wir reden vom Bau einer Kathedrale. Wir wollen, dass jede/r weiß, welche Rolle (egal wie klein oder groß) er oder sie bei diesem Gemeinschaftswerk spielt.

Thomas Steininger: Wir bei G+D haben vor Kurzem ein neues Modell für die Zusammenarbeit und Führung in unserem globalen Unternehmen entwickelt. Es zeigt deutlich, wofür wir als Unternehmen stehen: Es ist ein übergreifendes Modell, das allen unseren Mitarbeitenden weltweit Orientierung bietet und potenziellen neuen Mitarbeitenden auf der ganzen Welt eine einheitliche, positive Botschaft vermittelt.

Über die Interviewpartner von G+D

  • Beate Vollmond, Director – Head of HR Engage & Reward, G+D

  • Thomas Steininger, Director – Head of Global Talent Management & Leadership Development, G+D

 

 

Veröffentlicht: 16.02.2023

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