In Richtung Autonomie: D2D-Zahlungen im IoT
Zahlungen von Gerät zu Gerät (Device-to-Device; D2D) und andere Transaktionen im IoT werden zunehmend autonom. Die Forschung untersucht nun, wie das Internet der Dinge das menschliche Verhalten besser widerspiegeln kann. Dies ist besonders wichtig, damit sich die Geräte im Ökosystem gegenseitig vertrauen können. Die jüngsten Entwicklungen in den Bereichen Konnektivität und künstliche Intelligenz eröffnen hierfür ganz neue Möglichkeiten.
Zu Beginn ein paar Zahlen: Die Anzahl der weltweiten Verbindungen im Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) wird nach Prognosen eines führenden Marktforschungsunternehmens bis 2030 auf über 38 Milliarden ansteigen. Mehr als 60 Prozent davon werden auf das Unternehmenssegment entfallen.1 Allein für den Bereich Smart Manufacturing wird ein CAGR (Compound Annual Growth Rate) von 20 Prozent bis 2030 vorausgesagt.
Keine Frage, das Internet der Dinge ist auf Wachstumskurs und wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Der tatsächliche Mehrwert des IoT wird sich jedoch erst mit zunehmender Autonomie zeigen. Im Folgenden wird die Autonomie als die Fähigkeit definiert, geschäftliche Transaktionen durchzuführen, wie beispielsweise das Auslösen und Durchführen von Zahlungsvorgängen, die einmalige und sofortige Transaktionen zwischen zwei unbekannten digitalen Einheiten oder Geräten ermöglichen.
Wie könnte eine Welt der autonomen Device-to-Device (D2D)-Transaktionen aussehen? Was wäre nötig, um sie zu verwirklichen und für Unternehmen interessant zu machen? Wenn es um IoT-Zahlungen geht, sieht der gegenwärtige Stand folgendermaßen aus:
Es gibt vier allgemein akzeptierte Stufen der Autonomie für Zahlungen im IoT.
- Informell: Ein Gerät erkennt die Notwendigkeit einer Transaktion und informiert eine andere Einheit (in diesem Fall einen Menschen), leitet aber keine Transaktion ein.
- Bewilligt: Ein Gerät erkennt einen Bedarf und übermittelt eine Anfrage, die dann von einem Menschen autorisiert werden muss, um eine Transaktion zu veranlassen.
- Vorbehaltlich: Ein Gerät löst selbstständig eine Transaktion einschließlich Zahlung aus, jedoch nur im Rahmen einer vordefinierten Regel/eines Parameters. Ein Gerät könnte beispielsweise einen Nachschub bestellen, sobald es einen bestimmten Verbrauch feststellt. (Voraussetzung ist natürlich, dass es Zugang zu einem Zahlungsmittel hat).
- Vollständige Autonomie: Ein Gerät löst die Zahlung aus, nachdem es einen Bedarf festgestellt und einen Anbieter gefunden hat, unterstützt durch adaptives Verhalten auf der Grundlage von Lernen und Kontext. Ein Beispiel hierfür wäre ein KI-gestütztes IoT-Gerät, das seine Wartung selbst verwaltet, bei Bedarf Ersatzteile bestellt und über ein Zahlungsmittel verfügt.
Stufe 1 und Stufe 2 existieren bereits. Sie sind die am häufigsten genannten Interaktionen, wenn es um die Beschreibung von Zahlungen und anderen Geschäftsvorgängen im IoT geht. Stufe 3 steht kurz vor dem Durchbruch – es gibt bereits einige Anwendungsfälle, die damit experimentieren. Stufe 4 befindet sich hingegen noch in der Konzeptionsphase. Szenarien, die gänzlich ohne menschliches Handeln auskommen, sind derzeit nicht denkbar.
Die Erforschung dieser höheren Autonomiestufen wird aufgrund des kurz- und langfristigen Interesses seitens der Wirtschaft jedoch zügig vorangetrieben.
Vorteile der Autonomie für Unternehmen
Das Interesse der Unternehmen hat vor allem einen wichtigen Grund: Ein wesentlicher Aspekt eines autonomen IoT ist die Vereinfachung der Abläufe. Viele manuelle Prozesse wie die Auswahl von Anbietern, Vertragsabschlüsse und Abrechnungen würden entfallen, wenn das betreffende Gerät den Bedarf selbstständig erkennt und erfüllt. Ein naheliegendes Beispiel ist ein Gerät, das sich selbst um die Nachbestellung kümmert. Ein weiterer Vorteil ist die Zuverlässigkeit: Kann ein Gerät bestimmte Transaktionen eigenständig durchführen, ist es unabhängiger und hat weniger Ausfallzeiten. Besonders deutlich wird dies im Bereich der vorausschauenden (oder sogar vorbeugenden) Wartung. Da durch autonome D2D-Transaktionen auch andere Prozesse im Ökosystem automatisiert werden können, sind auch die Betriebs- und die Kosteneffizienz erheblich.
Damit das alles funktioniert, muss es einen klar definierten Prozess geben, den die immer ausgefeilteren Systeme verstehen und von dem sie lernen können. Dieser Prozess muss stärker an den Menschen angepasst werden.
Wie der Mensch, so die Maschine
Nicht jeder ist sich all der Schritte und Handlungen bewusst, die er ausführt, bevor er einen Supermarkt mit seinen Einkäufen verlässt. Man geht in den Supermarkt, weil man einen Bedarf feststellt, vielleicht braucht man Orangen. Man weiß, dass es im Supermarkt gerade Orangen gibt. Dort angekommen, wägt man ab, ob sie den Preis wert sind. Vielleicht geht man wieder, weil sie zu teuer sind, oder man denkt sich: Es ist Winter, man braucht Vitamin C, und außerdem hat man Appetit auf eine saftige Orange. Lebt man an einem Ort, an dem das Feilschen erlaubt ist, kann man einen angemessenen Preis aushandeln. Man einigt sich mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin, sucht sich einige Exemplare aus, bezahlt und geht nach Hause.
All diese einzelnen Vorgänge sind für uns so alltäglich, dass wir sie nicht weiter beachten. Ein Gerät muss jedoch speziell dafür programmiert sein oder lernen, jeden dieser Schritte zu befolgen. Nur so kann eine Transaktion erfolgreich abgeschlossen werden.
Im Wesentlichen muss ein solches Gerät:
- den Bedarf erkennen und einschätzen
- einen Anbieter (z.B. ein anderes Gerät) finden, der das Bedürfnis befriedigen kann
- den Preis für die Dienstleistung festlegen und gegebenenfalls einen Vertrag aushandeln
- überprüfen, ob die gelieferte Ware oder Dienstleistung dem Bedarf entspricht.
- Nach der Überprüfung würde die endgültige Abrechnung erfolgen, d.h. die Bezahlung.
Je mehr ein Gerät menschliches Verhalten widerspiegelt, desto autonomer kann es sein.
Die Abrechnung oder Zahlung ist dabei das geringste Problem. Die für die Sicherung dieser Transaktionen erforderliche Technologie ist vorhanden und wird bereits eingesetzt. Der Knackpunkt in der Entwicklung ist derzeit die Verifizierung. Es geht um die Frage, wie ein Gerät wissen kann, dass die gelieferte Ware oder Dienstleistung tatsächlich die bestellte ist – vor allem wenn es nicht nur um Fragen der Quantität, sondern auch der Qualität geht.
Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Woher weiß eine Maschine, dass die bestellte „Orange“ wirklich gut schmeckt? Und an wen wendet sie sich, wenn sie feststellt, dass diese Orange minderwertig ist, um Abhilfe zu schaffen?
Das Prinzip des Vertrauens
Vertrauen spielt dabei zweifellos eine zentrale Rolle. Menschen bauen Vertrauen auf und verlassen sich darauf. Ein Beispiel ist das bereits erwähnte Lebensmittelgeschäft, in dem man erwartet, frische Ware zu einem angemessenen Preis zu bekommen. Wenn schlechte Produkte darunter sind, kann man zurückgehen und reklamieren oder man kauft dort nicht mehr ein (und erzählt es auch den Freunden und Freundinnen sowie den Bekannten!).
„Man vertraut einer Person, weil man gute Erfahrungen mit ihr gemacht hat“, sagt Philipp Edler, Business Development Manager, Innovation bei G+D. „Im IoT müssen wir diesen Aspekt auf technischer Ebene lösen. Wir müssen einen Mechanismus finden, der Vertrauen schafft, so wie es auch bei menschlichen Interaktionen der Fall ist.“
Anders gesagt, jede finanzielle Interaktion zwischen Menschen setzt ein gewisses Grundvertrauen voraus. Geräte müssen dieses Vertrauen ebenfalls aufbauen, denn es steht im Einklang mit menschlichem Verhalten. Zunächst müssen sich die Geräte sicher sein, dass das Gegenüber tatsächlich existiert, und zwar über eine IP-Adresse hinaus. Es muss gewährleistet sein, dass die Gegenseite ihren Teil der Transaktion, d. h. eine Ware oder Dienstleistung einerseits und eine Zahlung andererseits, erfüllen kann. Außerdem muss die Transaktionssicherheit ohne jegliche Manipulation oder Veränderung auf beiden Seiten garantiert sein. Und schließlich muss es einen rechtlichen Rahmen geben, der die Transaktion regelt, einschließlich eines Mechanismus zur Streitschlichtung.
Die Vertrauensbildung ist ein wichtiger Teil der Interoperabilität, die ebenfalls von grundlegender Bedeutung für IoT-Zahlungen ist.
Interoperabilität
Das Internet der Dinge vereint die Bereiche Konnektivität, Identitäts- und Zahlungsmanagement. Geräte müssen über Netzwerke kommunizieren, die unterschiedlichen Protokollen folgen und unterschiedlichen nationalen Gesetzen unterliegen. Außerdem muss die Hardware leicht identifizierbar und gegen Manipulation und Betrug geschützt sein. Nur so können die Zahlungstransaktionen sicher und vertraulich abgewickelt werden.'
„Bei Zahlungen im IoT sind Sicherheit und Interoperabilität die wichtigsten Themen, für die die Branche Lösungen finden muss. Wenn diese Punkte geklärt sind, werden die Akzeptanz und die Einführung folgen“, sagt Magdalena Dellinger, Technology and Innovation Manager, Corporate Technology Office bei G+D.
Mit zunehmender Autonomie der Geräte müssen die Rahmenbedingungen für ihre Ökosysteme robust und gleichzeitig flexibel genug sein, um Wachstum und Innovation zu ermöglichen. Die jüngsten Entwicklungen bei der Standardisierung der IoT-Konnektivität sind in dieser Hinsicht vielversprechend. Die Gewährleistung der Interoperabilität innerhalb des IoT ist eine Aufgabe, an der alle Akteure mitwirken müssen. In diesem Zusammenhang ist der Zahlungsverkehr nur ein Teil des großen Ganzen.
KI verändert alles
Künstliche Intelligenz hat dem IoT Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren. Das gilt für Zahlungen ebenso wie für viele andere Geschäftsvorgänge im Internet der Dinge. Maschinen, die aus eigenen Erfahrungen lernen können, haben die Vorstellung des Machbaren grundlegend verändert. Das gilt auch für den Aspekt der Verifizierung.
Gelingt es der KI, Maschinen dem menschlichen Verhalten immer weiter anzunähern, steht eines Tages vielleicht die Technologie zur Verfügung, um die Stufe 4 der Autonomie zu ermöglichen. Ob dies in der Zukunft des IoT allerdings aufgrund regulatorischer oder politischer Eingriffe jemals der Fall sein wird, steht auf einem anderen Blatt.
Key Takeaways
- Die Frage der Verifizierung ist entscheidend für den Transaktionsprozess bei IoT-Zahlungen. Die Abrechnung hingegen ist relativ einfach umzusetzen.
- Derzeit ist eine vollständige Autonomie nicht möglich. Ab einem gewissen Punkt ist ein menschliches Eingreifen erforderlich.
- Die Interoperabilität von Konnektivität, Identitäten und Zahlungen wird entscheidend sein, wenn sich die Autonomie von IoT-Zahlungen weiterentwickelt.
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IoT Connections Forecast to 2030, GSMA Intelligence, 2023
Veröffentlicht: 04.07.2024
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