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Phygital Banking: die richtige Balance von Online und Offline

Globale Trends
6 Min.

Angesichts ihrer fortschreitenden digitalen Transformation müssen Banken nun auch ihr Filialnetz und ihre Geschäftsprozesse überholen.

Amazon läutete in den 1990er-Jahren die E-Commerce-Revolution ein, indem es als Online-Buchhändler den alteingesessenen Buchläden den Kampf ansagte. Damals hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass Jeff Bezos jemals ein Einzelhandelsgeschäft eröffnen würde. Doch drei Jahrzehnte später ist genau das geschehen: Das Unternehmen eröffnet Buchläden, Lebensmittelgeschäfte und Pop-up-Stores rund um den Globus.

Eine Frau bestellt und bezahlt mit ihrem Smartphone Essen

Zwei Amazon-Fresh-Lebensmittelläden in London zählen zu den neuesten Errungenschaften des Online-Riesen. Durch seine „Just Walk Out“-Technologie kann das im US-amerikanischen Seattle ansässige Unternehmen sich von anderen Supermärkten abheben.1 Was steckt dahinter? Kundinnen und Kunden müssen ihren Warenkorb nur über die Amazon-App einscannen und die Artikel in den Warenkorb legen, bevor sie den Store verlassen. Und das ganz ohne Umweg über die Kasse. Dies ermöglichen Computer Vision, Informationsfusion und Deep Learning. „Keine Kassen, keine Warteschlangen“, beschreibt Amazon sein neues Konzept.

Diese Kombination einer physischen Verkaufsstelle und digitaler Technologie in den Amazon-Fresh-Läden ist ein Paradebeispiel dafür, was genau der Begriff „phygital“ bedeutet. Dieser Trend erobert nach und nach weitere Sektoren. So bietet z. B. Mercedes Benz mittlerweile auch virtuelle Testfahrten in seinen Schauräumen an. Dank Virtual Reality können Interessenten eine Vielzahl von Fahrzeugen in verschiedenen Umgebungen testen.2

Online trifft Offline

Inwiefern wird sich die phygitale Revolution auf das Banking und den Finanzsektor auswirken? Genau wie einst Buchläden im 20. Jahrhundert wird das traditionelle Bankwesen von digitalen Challenger-Banken aufgemischt. N26 in Deutschland und Starling im Vereinigten Königreich sind zwei Unternehmen, die in die Fußstapfen von Amazon zu treten scheinen. Der Unterschied besteht diesmal jedoch darin, dass die etablierten Banken entschlossener handeln und digitale Banken erwerben oder ihre eigenen Versionen auf den Markt bringen. Die Technologie hat sogar traditionelle Investmentbanken wie Goldman Sachs dazu gebracht, Online-Sparkonten für Verbraucherinnen und Verbraucher zu eröffnen.3

Durch die Corona-Pandemie wurde die digitale Transformation im Bankwesen noch schneller vorangetrieben. Eine Vielzahl digitaler Dienste wurde eingeführt, um die bestehende physische Infrastruktur zu ergänzen. Beispielweise wurden digitale Selfservice-Kioske in den Bankfilialen installiert, an denen Kundinnen und Kunden rund um die Uhr Überweisungen und andere Transaktionen erledigen können. Darüber hinaus wurden auch digitale Versionen von Collaterals, Zahlungskarten und PINs eingeführt, die traditionell nur in physischer Form verfügbar waren. Aber auch intern arbeiten Banken mit Hochdruck daran, ihre Geschäftsprozesse mittels digitaler Technologien zu transformieren. So ist es mittlerweile möglich, die gesamte Customer Journey im Banking dank adaptiver und reibungsloser Dienste zu einem phygitalen Erlebnis zu machen, sodass Kundinnen und Kunden beispielsweise über ihr Mobiltelefon über den Status einer neuen EC-Karte informiert werden können, bevor diese mit der Post zugestellt wird.

“Banken müssen das traditionelle Filialmodell hinter sich lassen und sich auf die Bereitstellung zielgerichteter, hochwertiger und physischer Interaktionen und Erlebnisse konzentrieren, die das Online-Banking perfekt ergänzen.“
Mohit Joshi, President von Infosys, und Markos Zachariadis, Chair of Financial Technology and Information Systems der University of Manchester

Bankfilialen müssen sich weiterentwickeln

Das jetzige Offline-Banking wird sich nach der Pandemie gehörig verändern. So wird das Filialnetz der Vergangenheit angehören. In einem Artikel für das Weltwirtschaftsforum schrieben Mohit Joshi, President von Infosys, und Markos Zachariadis, Chair of Financial Technology and Information Systems der University of Manchester: „Banken müssen das traditionelle Filialmodell hinter sich lassen und sich auf die Bereitstellung zielgerichteter, hochwertiger und physischer Interaktionen und Erlebnisse konzentrieren, die das Online-Banking perfekt ergänzen. Digitale Technologien sollten auch dazu verwendet werden, um physische Erlebnisse zu verbessern und Dienste schneller, sicherer und bequemer zu machen.“4

Die Autoren können sich das künftige Banking auf vielerlei Weise vorstellen: So könnten Bankfilialen einem Café oder Co-Working-Büro gleichen oder vielleicht auch nur einen Bereich in einem anderen Geschäft einnehmen. Darüber entscheiden letztlich mehrere Faktoren, darunter die Zielgruppe, der Standort und die angebotenen Dienstleistungen. Ältere Kundinnen und Kunden in ländlichen Gegenden mit eingeschränktem Internetzugang benötigen eine größere Bankstelle als jüngere Menschen der Generation Y und Z, die einen Großteil ihrer Bankgeschäfte auf dem Mobilgerät erledigen.

„In Zukunft wird der Besuch bei der Bank wie in der Arztpraxis ablaufen, nämlich nur mit vorheriger Terminvereinbarung“, prognostiziert Mike Carter, Executive Vice President des Beratungsunternehmens Strategic Resource Management.5

Praxisbeispiel: intelligente Kartenausstellung

Im Hinblick auf digitale Technologien haben Banken eine Vielzahl an Optionen die auch zu einer verbesserten Personalisierung im Bankwesen beiträgt. Physische Prozesse, Produkte und Dienstleistungen können ergänzt oder ersetzt werden, um ein phygitales Erlebnis zu schaffen. Bankfilialen können Selfservice-Stationen einrichten, an denen Kundinnen und Kunden rund um die Uhr eine neue Karte beantragen können. Digitale Lösungen können die Kartenausstellung noch weiter revolutionieren. Über Plattformen wie G+D Convego Connect APIs können Karten beantragt, ausgestellt und verwendet werden, und das vollkommen digital.

Hinter dieser Revolution stecken Programmierschnittstellen, sogenannte APIs. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Software-Funktionen und -Protokollen, die neue Prozesse und Anwendungsfälle sowie die Interaktion verschiedener Apps ermöglichen. Banken können beispielsweise APIs nutzen, um die Kartenausstellung zu erleichtern und ihrer Kundschaft Echtzeit-Updates zum Status ihrer Karte oder personalisierte PIN-Benachrichtigungen zu senden.

Genau wie Amazon müssen Banken die richtige Balance zwischen dem Offline-Erlebnis und den digitalen Technologien finden und dabei ihre Zielgruppe und das Verhalten ihrer Kundschaft berücksichtigen. Das Kundenerlebnis durch Digitalisierung und eine intelligente Kartenausstellung zu verbessern, ist eine Möglichkeit, dieses Gleichgewicht herzustellen. Da die meisten Banken jedoch keinen digitalen Ursprung haben, wird die Transformation interner Prozesse (wie die Automatisierung der Kartenbestandskontrolle) ein notwendiger Bestandteil ihrer Digitalisierung sein. Es werden jene Banken erfolgreich sein, die mit einem Partner zusammenarbeiten, der ihnen ein angemessenes Maß an Flexibilität bietet.

  1. Your New London Amazon Fresh Stores. Now Open, Amazon, 2021

  2. VR eMotion Seat System, phygital.co.uk, 2020

  3. Online Savings Account, Marcus.co.uk, 2021

  4. „Phygital“: a Banking Strategy for the New Isolation Economy, World Economic Forum, 2020

  5. Banks Accelerate New Branch Strategies in Increasingly Digital Post-Covid World, S&P Global, 2020

Veröffentlicht: 22.04.2021

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