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#Digital Currency Ecosystem

Warum wir digitales Bargeld brauchen

Expertenmeinung

Digitales Zentralbankgeld (CBDC) ist ein öffentliches Gut: eine neue digitale Version einer Währung, die das Bargeld ergänzt und von der Bevölkerung unabhängig von der ausgebenden Institution genutzt werden kann. CBDCs bieten zusätzlichen Komfort, da man mit ihnen Geld schneller über diverse Plattformen überweisen, die Transaktionskosten verringern und Werte digital aufbewahren kann. Doch damit CBDCs allgemein akzeptiert werden, müssen die Mechanismen, die in der physischen Welt Sicherheit und Datenschutz gewährleisten, – und die wir vom Bargeld kennen – auf die digitale Welt übertragen werden. Ein Gespräch mit Dr. Wolfram Seidemann, CEO von G+D Currency Technology.

Dr. Seidemann, es gibt viele Gründe dafür, warum Bargeld so beliebt ist. Selbst in der aktuellen weltweiten Krisensituation, in der sich die Digitalisierung stark beschleunigt, erhöht sich die Nachfrage nach Bargeld. Glauben Sie, dass Bargeld essenziell für die Freiheit der Menschen ist?

Ja, das glaube ich. Bargeld hat einen hohen gesellschaftlichen Wert: Es ist das einzige Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel, bei dem die Nutzerinnen und Nutzer völlig unabhängig vom Emittenten sind. Die Zentralbank, die nicht profitorientiert, sondern im öffentlichen Interesse handelt, garantiert dessen Wert und Verfügbarkeit. Bargeld ist inklusiv, universell und verlässlich. Und es schützt unsere Privatsphäre.

Interviewfoto von Dr. Seidemann

Laut dem World Payments Report 2019 werden Schwellenmärkte in den kommenden Jahren bei den bargeldlosen Zahlungstransaktionen eine Wachstumsrate von rund 23,5 % erreichen. Denken Sie, dass bargeldlose Zahlungen das Bargeld in naher Zukunft ersetzen werden – und falls ja: Können bargeldlose Alternativen das gleiche Maß an öffentlicher Teilhabe gewährleisten?

Da die Zahlungsvorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr unterschiedlich sind, sprechen die Anbieter von bargeldlosen Zahlungsmethoden jeweils nur bestimmte Kundensegmente an. Also nein, sie können nicht denselben Marktanteil erreichen oder das gleiche Maß an finanzieller Inklusion bieten. Manche Nutzerinnen und Nutzer wählen bargeldlose Alternativen vielleicht aufgrund zusätzlicher Vorteile, wie Kreditfunktionen, Treuepunkte oder Aktionsrabatte. Doch solche Extras sind häufig gebührenpflichtig oder mit dem Erfassen von Daten verbunden.

Im Kostenvergleich dient Bargeld aktuell als Maßstab für alle bargeldlosen Systeme und sorgt so dafür, dass deren Gebühren niedrig bleiben. Bargeld könnte an Bedeutung verlieren, wenn der Zugang schwieriger wird, es nicht überall angenommen wird oder wenn sich digitale Geschäftsmodelle durchsetzen, bei denen Bargeld nicht verwendet werden kann. Doch solche Modelle zwingen die Nutzerinnen und Nutzer oft dazu, einen Vertrag mit einem profitorientierten Anbieter abzuschließen. Sollten weltweit private Organisationen bei den digitalen Zahlungen die Führung übernehmen, hätten die Zentralbanken es deutlich schwerer, die wirtschaftliche und monetäre Stabilität zu wahren.

Bargeld ist also von wesentlicher Bedeutung für eine digitale Zukunft. Welche Rolle spielen CBDCs, also zentralbankeigene digitale Währungen?

Ich hoffe auf eine Zukunft, in der Bargeld seine Relevanz behält und dabei von einem gleichwertigen digitalen Zentralbankgeld ergänzt wird. Auch CBDCs sind ein öffentliches Gut: Sie werden überall akzeptiert, sind frei von sozialen oder wirtschaftlichen Hürden und können unabhängig vom Herausgeber genutzt werden, sodass sie ein wirklich demokratisches und freies Zahlungsmittel sind.

Um flächendeckend akzeptiert zu werden, müssen CBDCs für ehrliche Nutzerinnen und Nutzer vollkommen anonym sein. Gleichzeitig müssen sie sicher sein und die Nutzerschaft vor kriminellen Angriffen schützen. Mechanismen, die Schattenwirtschaften und Finanzkriminalität in der physischen Welt verhindern, müssen auf die digitale Welt übertragen werden. Hierbei ist wichtig, dass keiner dieser Mechanismen den Wert des Bargelds mindert oder die Freiheiten hinsichtlich der Transaktionen einschränkt. Anonyme Zahlungstransaktionen müssen zum Beispiel beobachtet werden können, um Anomalien zu erkennen. Regulierungsbehörden müssen dafür sorgen, dass Transaktionen über einem bestimmten Wert registriert werden.

“Auch CBDCs sind ein öffentliches Gut: Sie werden überall akzeptiert, sind frei von sozialen oder wirtschaftlichen Hürden und können unabhängig vom Herausgeber genutzt werden“
Dr. Wolfram Seidemann
CEO von G+D Currency Technology

Glauben Sie, dass CBDCs weitverbreitet und für bargeldlose Zahlungen allgemein akzeptiert sein werden, wenn die eben genannten Mechanismen tatsächlich auf die digitale Welt übertragen werden?

Eine CBDC, die solche Mechanismen umfasst, könnte einen großen Netzwerkeffekt bei den bargeldlosen Zahlungen haben. Sie könnte ein neues Zahlungsmittel werden, auf dessen Grundlage weitere Funktionen entwickelt werden. Fintech-Unternehmen und das Geschäftsbankensystem arbeiten in diesem Bereich bereits an Innovationen. Eine CBDC bildet also eher die Basis für neue Entwicklungen bei den Bezahlangeboten – die Zentralbanken konkurrieren dabei nicht mit privaten Systemen. Wir werden mehr Vielfalt sehen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden unter vielen verschiedenen Lösungen wählen können.

Basieren CBDCs auf Blockchains und ist die heutige Verschlüsselungstechnologie stark genug für eine digitale Währung?

CBDCs sollten eher wertbasiert als kontobasiert sein, damit sie auch von Personen ohne Bankkonto verwendet werden können. Blockchains sind dafür nicht die passende Lösung: Wenn man einmal von ökologischen Aspekten oder der Skalierbarkeit absieht, geht es doch darum, dass Zentralbanken die Hüter der Währungen sind. Diese vertrauenswürdigen Institutionen nun durch einen Algorithmus oder einen Konsensmechanismus zu ersetzen, wäre die falsche Herangehensweise. Starke Verschlüsselungstechnologie wird natürlich eine zentrale Komponente sein, um ein öffentliches Zahlungssystem auf das Post-Quanten-Zeitalter vorzubereiten. Deshalb haben wir als CBDC-Lösung für die breite Öffentlichkeit G+D Filia® entwickelt.

Und werden wir immer noch Banknoten und Münzen in unseren Portemonnaies haben, wenn CBDCs eingeführt werden?

Ich würde sagen, dass Banknoten auch in Zukunft noch genutzt, Münzen aber wahrscheinlich irgendwann digitalisiert werden. Dies ermöglicht Effizienzgewinne am Point of Sale (POS), zum Beispiel durch schnellere Transaktionen. Es wird Menschen geben, die physischem Bargeld als Wertaufbewahrungsmittel mehr vertrauen als digitalen Informationen. Der Bargeldkreislauf wird dann ergänzend auch digitale Komponenten umfassen: Zum Beispiel könnte man Geld in Form von Banknoten am Geldautomaten abheben und an einem POS verwenden, während man das Wechselgeld digital über eine Smartwatch erhält.

Wie werden sich diese Entwicklungen auf die Bevölkerung auswirken?

Die Zukunft digitaler Zahlungssysteme wird große Auswirkungen auf die Freiheit der Menschen haben. Bevor wir darüber sprechen, wie ein digitales Zahlungssystem der Zukunft funktionieren wird, brauchen wir eine öffentliche Diskussion über das richtige Gleichgewicht zwischen Freiheit, Datenschutz und Transparenz von Zahlungen. Ich hoffe, die Antwort der meisten Länder wird sein, dass die Menschen mehrere Zahlungssysteme ebenso wie Banknoten und CBDCs als deren digitales Äquivalent werden nutzen können.  Dies würde sicherstellen, dass das Mandat der Zentralbanken zur Ausgabe von Währungen für die gesamte Bevölkerung fortgesetzt wird und die finanzielle Stabilität als Grundlage unserer Wirtschaft gewahrt bleibt.

Veröffentlicht: 30.06.2020

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