Ein indisches Paar schaut auf einen Laptop
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Digitales und elektronisches Bezahlen in Indien: Die Zukunft hat begonnen

Insights
6 Min.

Neben dem Bargeld, das in Indien nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, hat sich der digitale Zahlungsverkehr auf dem Subkontinent in kurzer Zeit etabliert. Ein robustes UPI-Ökosystem unterstützt die zunehmenden P2P- Zahlungsstrukturen, Kreditkarten erobern neue Märkte und beschleunigen das Wachstum von Zahlungskarten. Staatliche Regulierung, technologische Innovation und ein agiles Netzwerk von Finanzdienstleistern erfüllen die öffentliche Nachfrage nach digitalen Lösungen. Betrug bleibt eine Herausforderung, doch die Branche arbeitet zügig an höheren Sicherheitsstandards.

Vor zehn Jahren mag in Indien noch das Motto gegolten haben: „Nur Bares ist Wahres.“ Wer damals auf dem Subkontinent unterwegs war, hat vielleicht noch die Erfahrung gemacht, dass man für Taxifahrten, Trinkgelder oder Streetfood Bargeld benötigte. Dass Strom und Internet nicht überall im Land permanent verfügbar waren und Kartenzahlungen außerhalb der Städte problematisch sein konnten.

Seitdem ist viel passiert in diesem riesigen Land. Ein kurzer Blick nach der Landung auf einem der zahlreichen internationalen Flughäfen bestätigt, was oberflächliche Recherchen vor der Reise schon vermuten ließen: Die Zahlungslandschaft hat sich in den letzten sieben bis acht Jahren drastisch verändert.

Auf dem Weg zur Grenzkontrolle am Flughafen sind die Wände mit Werbung für Indiens heimische E-Commerce-Anbieter tapeziert: Hier kann man per QR-Code eine App herunterladen, dort seine Bankkarte registrieren und die Angebote scannen. Ein örtlicher Fahrdienst ermöglicht die Anmeldung, noch während man auf das Gepäck wartet, und für den Zugang zum lokalen digitalen Bezahlsystem gibt es für Ausländer sogar eigene Schalter. Der Kaffee am Flughafen wird ebenso mit dem Handy bezahlt wie das Taxi, für das die Park- oder Mautgebühren während der gesamten Fahrt ganz einfach per ePass abgerechnet werden. 

Bargeld spielt im indischen Zahlungsverkehr zwar nach wie vor eine wichtige Rolle – der Bargeldumlauf stieg in den Jahren 2022/23 im Vergleich zum Vorjahr um fast acht Prozent1 –, doch der digitale Zahlungssektor wächst rasant. Dies hat folgende Gründe:

Ein Jahrzehnt der Veränderungen

Früher galt Indien als Land mit wenigen Banken. Es herrschte ein großer Widerspruch: Auf der einen Seite gab es riesige ländliche Gebiete mit unzureichender digitaler Infrastruktur. Auf der anderen Seite prägten die jungen, aufstrebenden und weltweit gefragten Digital Natives das Bild einer technikaffinen urbanen Gesellschaft.

Ungeachtet dessen hat sich der Anteil der Erwachsenen, die über ein Bankkonto verfügen, zwischen 2011 und 2017 mehr als verdoppelt – von rund 35 auf 78 Prozent.2 Dieses Wachstum ist vor allem auf ein Regierungsprogramm zurückzuführen, das die indische Bevölkerung in das formelle Bankensystem integrieren sollte. Grundlage dafür war die breite Akzeptanz des sogenannten Aadhaar-Projekts der „Unique Identification Authority of India“, einer landesweiten Initiative, die jeder Bürgerin und jedem Bürger ein biometrisches Profil und eine eindeutige Identifikationsnummer zuweist. Gleichzeitig hat die Verbreitung des Internets, insbesondere über Mobiltelefone, zugenommen.

Eine große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern verfügte nun über einen sicheren, überprüfbaren Identitätsnachweis und ein Bankkonto. Dies zog eine dritte Innovation nach sich: Die National Payments Corporation of India (NPCI) führte 2016 eine einheitliche Zahlungsschnittstelle (Unified Payments Interface, UPI) ein. Zu den Beteiligten gehören die Reserve Bank of India (RBI) sowie weitere Finanzinstitutionen. Der regulatorische Rahmen wurde von der Regierung geschaffen, um auch Anbieter aus der Wirtschaft zu ermutigen, ihr technisches Angebot zu erweitern.

Eine Frau bezahlt mit ihrem Smartphone

„Niemand hätte gedacht, dass das Projekt so schnell an Fahrt gewinnen würde“, sagt Tapesh Bhatnagar, Head of Digital Solutions, zuständig für den Bereich ePayments bei G+D in Indien, über den dortigen rasanten Anstieg des digitalen Zahlungsverkehrs, bei dem UPI eine entscheidende Rolle spielt. „Dieser Erfolg ist dem gesamten Ökosystem zu verdanken, das hier aufgebaut wurde.“ Entscheidend war die Vorgabe der Regierung, dass das gesamte UPI-Ökosystem sowohl für die Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Händler kostenlos sein sollte. Das trug wesentlich zur Akzeptanz bei und machte 2016 zu dem Jahr, in dem die Mehrheit der Inderinnen und Inder mit digitalen Zahlungen vertraut wurde. Konto-zu-Konto-Zahlungen (A2A) zwischen Personen, die ihre Konten über ihre UPI-IDs mit ihren Telefonnummern verknüpfen, haben dementsprechend zugenommen.

Ein paar Monate später, im November 2016, kam es zur „Demonetisierung“. Einige große Banknoten wurden aus dem Verkehr gezogen, was die Nachfrage nach digitalen Zahlungen verstärkte, da die Menge an verfügbarem Bargeld über Nacht fast auf null sank.  Wie bekannt, hatte dies schwerwiegende wirtschaftliche Folgen, und seit einigen Jahren ist der Bargeldumlauf wieder stark angestiegen. Gleichzeitig zeigte sich der Einfallsreichtum und die Fähigkeit der Menschen im Land, Probleme zu lösen: Weil Kundinnen und Kunden die Waren und Dienstleistungen nun plötzlich nicht mehr bar bezahlen konnten, stellten Händler und Geschäfte jeder Größe – vom Teeverkäufer auf der Straße bis hin zu großen Kaufhäusern – auf QR-Codes um, die mit Mobilgeräten gescannt und abgerechnet werden konnten.

Infografik mit Schlüsselzahlen zum digitalen Zahlungsverkehr in Indien

„In Indien gibt es ungefähr 10 Millionen POS-Geräte, doch es existieren schätzungsweise rund 300 Millionen QR-Codes“, sagt Tapesh Bhatnagar. Man findet sie überall. Was beweist, wie wichtig neben P2P-Überweisungen auch Zahlungen von Kundinnen und Kunden an Händlerinnen und Händler („Peer to Merchant“, P2M) sind. Diese Transaktionen seien kostenlos, so Tapesh Bhatnagar: Weder für die Kundin und den Kunden noch für den Händler würden Bankgebühren anfallen. Alles geschieht in Echtzeit.

Apps wie BHIM, RuPay und Paytm dienen für viele Inder als eine Art digitaler Türöffner. Das zeigt sich auch daran, dass UPI-Apps inzwischen in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Singapur und Frankreich als Zahlungsmittel akzeptiert werden.

Die regulatorische Unterstützung durch die Regierung, die kontinuierlichen technischen Maßnahmen der NPCI sowie die innovativen Lösungen eines wachsenden Netzwerks von Zahlungsdienstleistern haben die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht. Die Covid-Einschränkungen machten kontaktlose Bezahlverfahren attraktiv, und das ist auch nach der Pandemie so geblieben. In Indien gibt es aktuell rund 50 Millionen Händler und 260 Millionen UPI-Nutzerinnen und -nutzer.3 Im Jahr 2022 wurden digitale Transaktionen im Wert von mehr als einer Billion US-Dollar über UPI abgewickelt, was einem Drittel des gesamten indischen Bruttoinlandsprodukts entspricht.4

Allein im Dezember 2023 verzeichnete UPI mehr als 12 Milliarden Transaktionen.5 Laut Dilip Asbe, CEO und MD von NPCI, hat Indien das Potenzial für 100 Milliarden Transaktionen pro Tag.6

“Niemand hätte gedacht, dass das Projekt so schnell an Fahrt gewinnen würde. Dieser Erfolg ist dem gesamten Ökosystem zu verdanken, das hier aufgebaut wurde.“
Tapesh Bhatnagar
Head, Digital Solutions, G+D Indien

Über UPI hinaus

Das Wachstum des digitalen Zahlungsverkehrs beschränkt sich jedoch nicht auf Apps, die in das UPI-Ökosystem integriert sind. In jüngster Zeit haben Zahlungskarten – allen voran Kreditkarten – sowohl bei den Nutzerzahlen als auch bei den Transaktionen deutlich zugelegt. Laut einer aktuellen Studie stieg das Transaktionsvolumen für Kreditkarten im  Zeitraum 2022 und 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 30%.7

„Wir waren schon immer eine Gesellschaft, die der Ansicht ist, dass wir Geld ausgeben sollten, wenn wir es zur Verfügung haben. Wir sind keine Kreditgesellschaft“, sagt Tapesh Bhatnagar. „Aber es gibt Anzeichen, dass sich das ändert.“ Die Zahlen geben ihm recht: Prognosen zufolge wird der indische Markt für Kartenzahlungen zwischen 2022 und 2026 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 18 Prozent jährlich wachsen und 2026 ein Volumen von 581 Milliarden US-Dollar erreichen.8 Kartenzahlung, vor allem mit Kreditkarten, verbreitet sich zunehmend. Gründe hierfür sind u.a. die verbesserte Zahlungsinfrastruktur und dass die Steuerbehörden den bargeldlosen Zahlungsverkehr fördern.

Während für kleinere Transaktionen weiterhin das UPI-Verfahren bevorzugt wird, kommen für größere Anschaffungen wie weiße Ware oder Flugtickets eher Bezahlkarten zum Einsatz. Auch ein besseres Verständnis der Kundenbedürfnisse und -wünsche fördert das Kartengeschäft. „Banken und Fintechs finden immer neue Wege, um Kunden zu gewinnen, und bieten mit Kreditkarten aus Metall, umweltfreundlichen Karten und anderen Produkten einen Mehrwert“, so Tapesh Bhatnagar. Mit attraktiven Angeboten wie zinsfreien Zeiten  oder Bonuspunkten sowie einer starken Ansprache neuer Bevölkerungsgruppen dürfte sich dieser Trend fortsetzen.

Indisches Bargeld neben einer indischen Flagge

Online-Shopping boomt, Betrug aber auch

Der primäre Grund für digitale Zahlungen sind Online-Käufe, sei es über UPI-Transaktionen oder über Bezahlkarten. Schätzungen zufolge wird der indische E-Commerce-Markt von 83 Mrd. USD im Jahr 2022 auf 150 Mrd. USD im Jahr 2026 anwachsen.9 Dies wird sich auch auf den Gebrauch von Bezahlkarten auswirken, da sich der Online-Handel an der „realen“ Welt orientiert, in der Kunden für die Bezahlung teurer Waren Kreditkarten bevorzugen.

Außerdem haben Händler und Banken einen Marketingvorteil, wenn sie ihre Kundendatenbanken zum beiderseitigen Vorteil kombinieren. „Der Trend geht zum sogenannten Co-Branding. Fast alle E-Commerce-Händler wie Amazon und Flipkart bieten inzwischen Co-Branding-Karten an“, sagt Tapesh Bhatnagar.

Doch es gibt auch Herausforderungen. Im Jahresbericht 2022/23 der indischen Zentralbank (RBI) heißt es, dass Karten-und Internetbetrug fast 50 % aller Betrugsfälle ausmacht.10 Gerade in einer solchen Situation brauchen Banken, Händler und Kundinnen und Kunden einen Partner mit Kompetenz im Zahlungsverkehr und Know-how in der Sicherheitstechnologie, um jede Transaktion abzusichern. G+D und andere Unternehmen tragen hier zu einem sichereren Ökosystem bei.

„Alles hängt vom Vertrauen in die Sicherheitslösungen ab, die das digitale Ökosystem umgeben“, so Tapesh Bhatnagar. Es gehe darum, Betrug zu minimieren, den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten und das Nutzererlebnis zu verbessern. „Wir haben erkannt, dass robuste Authentifizierungslösungen im E-Commerce unerlässlich sind.“ Dazu gehören Kartenzahlungen, adaptierbare Zahlungslösungen und Tokenisierung.

Facts & Figures

0Millionen

POS-Geräte

300 Millionen QR-Codes

0Millionen

Händler auf der UPI-Plattform

260 Millionen verschiedene UPI-Nutzer

0%

Wachstum der Kreditkartentransaktionen im Jahr 2022/23

(im Vergleich zum Vorjahr)

0Milliarden

E-Commerce-Markt 2022

$150 Milliarden im Jahr 2026 (Hochrechnung)

Visionen für die Zukunft

Das indische Netzwerk von Zahlungsdienstleistern und anderen Fintechs wächst rasant, um den Bedürfnissen der riesigen Bevölkerung gerecht zu werden. Dank ihrer Agilität können Fintechs in Bereiche vordringen, in die sich traditionelle Banken bisher noch nicht gewagt haben. Angesichts der Größe Indiens ist dies ein wichtiger Aspekt. Noch immer gibt es Orte im Landesinneren, in denen es schwierig ist, Finanzdienstleistungen anzubieten. Dies eröffnet die Möglichkeit für Partnerschaften, bei denen die eine Seite etwas anbietet, was die andere Seite braucht. „In zehn Jahren ist eine Zukunft denkbar, in der die Banken die Infrastruktur bereitstellen und die Fintechs die Kunden ansprechen“, so Tapesh Bhatnagar.

G+D ist in Indien unter anderem in den Bereichen Währungstechnologie und Finanzplattformen aktiv. Im Geschäftsbereich Financial Platforms unterstützt G+D  in Indien mit seinen robusten Authentifizierungslösungen die Transformation des Zahlungssystems und ist ein verlässlicher Partner für Sicherheit und Vertrauen – beides wichtige Grundlagen in einer Finanzlandschaft, die sich ständig weiterentwickelt.

Key Takeaways

  • Das Bankensystem hat sich sehr entwickelt in der letzten Zeit. UPI, Indiens eigenes digitales Zahlungssystem, wickelte im Jahr 2022 Transaktionen im Wert von über 1 Billion US-Dollar ab.
  • NPCI’s Vision für UPI in Indien: 100 Milliarden Transaktionen pro Monat
  • Der E-Commerce-Markt soll bis 2026 auf 150 Milliarden Dollar anwachsen
  1. Money matters: Cash in circulation grows at the slowest pace since FY18, Parvathi Benu/Hindu Businessline, May 31, 2023 

  2. The Global Findex Database 2021: India country brief, World Bank, 2021

  3. India hopes its new electronic payment method will conquer the world, Carole Dieterich for Le Monde, January 14, 2023 

  4. A digital payments revolution in India, The Economist, May 15, 2023

  5. ‘Up, up, and growing!’ UPI transactions at an all-time high in October. What has made this growth sustainable?, Sangeeta Ojha/Mint, November 2, 2023

  6. India has potential to clock 100 billion UPI transactions a month: NPCI DEO Dilip Asbe, PTI/Economic Times, September 5, 2023

  7. The Indian payments handbook 2023–2028, PwC India

  8. Card payments in India to surge to $337 billion in 2023, forecasts GlobalData, GlobalData, Aug 22, 2023

  9. Global payments report 2023, Worldpay from FIS

  10. Reserve Bank of India annual report 2021–22, RBI

Veröffentlicht: 04.03.2024

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